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Christian Kern will sein neues Regierungsteam zuerst den SPÖ-Gremien und dem Parlament vorstellen. Es wird dabei einige Überraschungen geben. Hannes Androsch wünscht sich "personelle Verjüngung auch in anderen Machtzentren der Republik".
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Wien. Über allfällige Ähnlichkeiten zwischen Christian Kern und Humphrey Bogart ist die inhaltliche Polit-Debatte übers Pfingstwochenende nicht recht hinausgekommen.
Für den 50-jährigen Kern war das Wochenende allerdings Stress pur. Denn er musste nicht nur ein weitgehend neues Regierungsteam suchen, sondern auch eine Rede für den Nationalrat schreiben und sich auf den ersten Ministerrat vorbereiten, den er als Bundeskanzler Mittwochvormittag leiten wird.
Am Dienstag um 14 Uhr wird er erstmals in seinen neuen Funktionen öffentlich auftreten. Ein schöner Teil der kolportierten Namen für die SPÖ-Regierungsmannschaft "überlebte" das Pfingstwochenende allerdings nicht. Ob es sich dabei um Sondierungen Kerns, bloße Gerüchte oder tatsächliche Angebote handelte, ist nicht bekannt. Denn Kern begab sich sozusagen in Klausur, er will das neue Team zuerst den SPÖ-Gremien und dem Parlament präsentieren.
"Die Partei einzubinden ist sehr gescheit", sagte der Industrielle Hannes Androsch, der unter Bruno Kreisky als Finanzminister und Vizekanzler tätig war. "Aber der Termindruck ist groß, mehr eine Frage von Stunden denn von Tagen. Gleichzeitig muss er sich genau überlegen, mit welcher Seilschaft er auf diesen gefährlichen Berg geht."
ÖVP wird Kern keine Schonfrist gewähren
Sicher ist immerhin, dass es personelle Überraschungen geben wird. So ist der Abgang von Josef Ostermayer als Kulturminister möglicherweise doch nicht so fix wie noch am Freitag kolportiert. Sonja Wehsely bleibt Stadträtin in Wien, und auch der Wechsel von Sabine Oberhauser vom Gesundheits- ins Sozialministerium war wenigstens in Gewerkschaftskreisen nicht unumstritten.
Christian Kern wird ein gewisser Hang zur Perfektion nachgesagt. "Die Politik ist das Gegenteil davon", sagte ein hochrangiger Funktionär zur "Wiener Zeitung". "Hoffentlich will er nicht zu viel."
Gleichzeitig steht Christian Kern gleich zu Beginn vor einer harten Entscheidung. So ist zu hören, dass der Regierungspartner ÖVP Druck macht, die Notfallverordnung wegen der Flüchtlingsbewegung in Kraft zu setzen. Die für heuer festgesetzte Zahl von 37.500 Flüchtlingen sei in wenigen Wochen erreicht, die Volkspartei soll bereits einen Vorstoß unternommen haben. "Die ÖVP wird Kern keine Einarbeitungsphase gönnen, sondern ihn sofort mit den heiklen Themen überfallen", ist aus der SPÖ zu hören. Doch auch aus seiner eigenen Partei, der SPÖ, gibt es personelle Wünsche. Kern wurde allerdings von den SPÖ-Landesparteien freie Hand bei der Auswahl des neuen Teams zugesichert.
Das beinhaltet auch die Bundesparteizentrale, die derzeit vom langjährigen Faymann-Mitarbeiter Gerhard Schmid geleitet wird. Auch hier - so wird in der SPÖ vermutet - wird der neue Parteivorsitzende Christian Kern eine Person seines Vertrauens installieren. "Sein Motto muss nun sein, Signale gehört, Aufbruch zum Gefecht. Tempo ist dabei ein Wert geworden", sagte Androsch. Das sozialdemokratische Urgestein machte in den vergangenen Wochen keinen Hehl daraus, dass er Werner Faymann diesen Aufbruch nicht zutraue.
Kritik an Sozialpartnern und Landeshauptleuten wächst
Und Androsch wünscht sich auch eine "personelle Verjüngung in anderen politischen Machtzentren des Landes", gemeint sind wohl Landeshauptleute und Sozialpartner-Spitzen. "Wir müssen, inhaltlich gesprochen, alte Bärte abschneiden, und zu denen gehören halt auch Gesichter." Androsch beklagt, dass viele Reformbereiche, etwa der von ihm forcierte Bildungs-Bereich, liegen bleiben, weil Konflikten aus dem Weg gegangen wurde. Jüngere sollten hier neuen Schwung bringen, so der rührige Industrielle.
Am Montag wurde in SPÖ, ÖVP, aber auch Oppositionsparteien überlegt, was Christian Kern wohl in seiner programmatischen Rede im Nationalrat am Mittwoch sagen wird. Jene, die ihn kennen, erwarten durchaus deutliche Worte. So soll das bestehende und bis 2018 laufende Regierungs-Übereinkommen großflächig angepasst werden. Dass er dabei alleine auftritt, also ohne die neuen SPÖ-Minister, sichert ihm volle Aufmerksamkeit.
Gleichzeitig scheint Kern besonders bemüht zu sein, die eigene Partei und das Parlament enger einzubinden als dies sein Vorgänger Werner Faymann machte. So wird die neue Ministerliste zuerst dort präsentiert - und nicht Zeitungen zugespielt.
So hat Kern heute, Dienstag abend, eine Sitzung mit den Nationalrats- und Bundesrats-Abgeordneten der eigenen Partei. Um 17 Uhr wird er von Bundespräsident Heinz Fischer als Bundeskanzler angelobt. Möglich, dass er die neuen Minister dort bekanntgibt. "Die Funktionäre haben es satt, in Boulevardzeitungen zu lesen, was sie beschließen werden", sagte ein Abgeordneter.
Sollte es tatsächlich vorgezogene Neuwahlen geben, braucht Kern engagierte Funktionäre. "Christian Kern verliert nicht gern. Dazu braucht er aber motivierte Parteileute, die in einem Wahlkampf auch wirklich rennen", sagte ein hochrangiger SPÖler. "Dazu gehört, dass die Partei seine Entscheidungen als Erste erfährt und nicht Journalisten."
Hektische Tage auch für Bundespräsident Fischer
Aus diesem Grund kommen auf den scheidenden Bundespräsident Heinz Fischer recht hektische Tage zu. Er muss die neuen Regierungsmitglieder angeloben, vermutlich vier, wenn nicht fünf.
Etwas mehr Zeit hat Kern in der SPÖ. Er wird heute Mittag vom Parteivorstand als einziger Kandidat für den Vorsitz nominiert. Den offiziellen Beschluss dazu wird der vorgezogene Parteitag der SPÖ am 25. Juni treffen. Dann wird Christian Kern der neunte SPÖ-Vorsitzende seit 1945 sein. Der Noch-ÖBB-Chef halbiert damit seine Gage, was auch Kern-Skeptiker in der SPÖ anerkennen. "Christian Kern ist einer, der zuerst Eier legt, bevor er gackert. Das ist in der Politik ungewöhnlich, aber es soll sich ja vieles ändern", ist aus der Wiener SPÖ zu hören. Vor allem in Wien gab es Kritik an Werner Faymann, weil die Regierung vor eineinhalb Jahren eine Wohnbauoffensive ankündigte, die es - aufgrund organisatorischer Mängel - bis heute nicht gibt.
Kern wird sich aber parteiintern auch um das süße Gift des Zweifels kümmern müssen. Nach der Aussage von Gerhard Zeiler, er stehe seit einem Jahr mit Kern in Kontakt, sind manche irritiert. SPÖ-Funktionäre interpretieren dies als von langer Hand vorbereitete Intrige gegen Werner Faymann und warten erst einmal ab, was Kern so vorhat. "Das war keine Intrige, das war Unmut, der sich immer mehr aufgestaut hat", sagte ein Zeiler-Vertrauter. "18 verlorene Wahlen sind ja kein besonderes Ruhmesblatt."