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Die Politik wünscht schnelle Integration von Flüchtlingen - und deren baldige Abreise. Also was jetzt?
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Wenn es einen Satz gibt, auf den sich Gegner wie Befürworter der deutschen (und bis vor kurzem ja auch parallelen österreichischen) Flüchtlingspolitik verständigen können, dann ist es ungefähr der: "Gelungene Integration der Zugezogenen ist die wichtigste Voraussetzung dafür, dass wir das schaffen." Kein halbwegs vernünftiger Mensch wird das bestreiten können; schon gar nicht im Lichte der betrüblichen Erfahrungen, die Europa mit der teils völlig misslungenen Integration früherer Migranten-Generationen gemacht hat, deren Ergebnisse in den Pariser Banlieues, Teilen von Brüssel oder des Ruhrgebietes zu besichtigen sind, in die selbst die Polizei nur noch ungern einrückt.
Um diese groben Fehler der Vergangenheit kein zweites Mal zu begehen, investieren die Regierungen in Wien und Berlin jetzt ja auch erhebliche Summen und viel Managementkapazität in die Integration.
So weit, so nachvollziehbar. Gleichzeitig aber senden Berlin und Wien völlig konträre Signale aus. "Wir erwarten, dass, wenn wieder Frieden in Syrien und der IS im Irak besiegt ist, ihr auch wieder - mit dem Wissen, das ihr jetzt bei uns bekommen habt - in eure Heimat zurückgeht", meinte Angela Merkel schon Ende Jänner in Richtung Migranten. Der größte Teil der Schutzsuchenden erhalte kein Asyl, betonte die Kanzlerin, sondern lediglich einen auf drei Jahre befristeten Aufenthaltstitel nach der Genfer Flüchtlingskonvention. Das in Österreich jüngst beschlossene "Asyl auf Zeit" (maximal drei Jahre ohne automatische Verlängerung) deutet in genau die gleiche Richtung - dass die Zugezogenen doch bitte nicht allzu lange bleiben mögen.
Da stellt sich die kleine Frage: Wie sinnvoll ist es - sowohl für die Zugezogenen wie für ihr Zielland -, erhebliche Anstrengungen für die Integration zu unternehmen, wenn die meisten ohnehin nach wenigen Jahren abreisen sollen, falls es etwa tatsächlich gelänge, Syrien einigermaßen zu befrieden? Wie sinnvoll ist es, dass syrische Flüchtlinge jetzt mühsam Deutsch lernen, wenn man sie ohnehin bald wieder gen Süden verfrachten will? Warum sollen sich Firmen die Mühe machen, qualifizierte Migranten anzuheuern, wenn diese Arbeitskräfte ohnehin nach relativ kurzer Zeit wieder weg sind? "Wenn ihre Arbeitgeber befürchten müssen, dass sie nach drei Jahren wieder heimgehen, wird niemand in eine Ausbildung investieren", warnt AMS-Chef Johannes Kopf mit Recht.
Das Rätsel dieses gewaltigen Widerspruchs zwischen der Forderung nach Integration und jener nach baldiger Abreise der meisten Migranten dürfte freilich relativ leicht zu lösen sein. Den Regierenden in Berlin wie in Wien ist natürlich völlig bewusst, dass in der Praxis selbst nach einem Ende des Krieges in Syrien nicht ein Massenexodus nach Syrer stattfinden wird und die Rückkehr aller anderen Zugezogenen in drei Jahren so wahrscheinlich ist wie die Errichtung einer katholischen Kathedrale im "Islamischen Staat". Weshalb sie, in der Sache korrekt, auf Integration setzen.
Die Rückkehr- und "Asyl auf Zeit"-Rhetorik hingegen hat wenig mit der Realität, aber viel mit politischen Notwendigkeiten zu tun. Sie ist ein Beruhigungsmittel für die Wähler, die von der Vorstellung nicht so recht begeistert sind, dass die meisten Migranten dableiben könnten. Mehr ist es nicht.