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Erst Witz, jetzt Dämon

Von Walter Hämmerle

Leitartikel
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Alle Politik beginnt mit der Betrachtung der Wirklichkeit. Der Satz sollte nicht nur für Politiker, sondern mindestens so sehr auch für die Wähler gelten. Letztere geraten schließlich genauso leicht in Versuchung, sich eine Welt herbeizuträumen - und immer öfter auch gerne als albtraumhafte Dystopie. Weder die eine noch die andere Form der politischen Realitätsverweigerung ist hilfreich.

Die Gründe etwa, eine Wahl Donald Trumps zum 45. Präsidenten der USA für einen ungeheuren Fehler zu erachten, sind beinahe so zahlreich wie die Sterne am Himmel. Das beginnt mit seinen bisher geäußerten Vorschlägen quer durch alle Politikbereiche und endet bei seinem unübersehbaren Narzissmus. Das sollte eigentlich Stoff genug für eine Auseinandersetzung sein, die auch zu gewinnen ist.

Was mit ziemlicher Sicherheit eher nicht funktionieren wird, ist, "The Donald" zum Dämon aufzublasen, sei es, ihn wahlweise als Wiedergänger der Faschisten aus den 20er und 30er Jahren des 20. Jahrhunderts zu brandmarken oder als ganz neuen Typus eines Demokratie-Zerstörers des noch jungen 21. Jahrhunderts. Trump auf diese Weise zu "überhöhen", spielt nur seiner Strategie in die Hände, sich zum einzig wahren Anti-System-Kandidaten zu stilisieren. Und auch eine aggressive Twitter-Armee macht noch keine marschierenden und marodierenden Horden von Schwarz- oder Braunhemden.

Aber auch ein auf sein Menschenmaß zurückgestutzter Donald Trump kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich das Konzept der liberalen Demokratie in einer disruptiven Übergangskrise befindet, bei der heute noch niemand mit Sicherheit zu sagen vermag, wie es morgen und übermorgen weitergehen wird. Fix ist bislang nur: so wie bisher mit Sicherheit nicht.

Trump, für sich genommen, könnte man ja noch als Totalschaden einer Partei auf Selbstmordtrip wegerklären. Das hat es immer wieder gegeben. Was das Ausmaß der Krise wirklich vor Augen führt, ist die Hilflosigkeit, mit der das etablierte System - Republikaner wie Demokraten und natürlich die Medien - auf die Herausforderung von "The Donald" reagiert: Am Anfang der Auseinandersetzung stand die Witzfigur, dann kam ungläubige Ratlosigkeit, die schließlich in die nicht minder verzweifelte Dämonisierung mündete.

Auf ein politisches Konzept warten wir bis heute.