Droht der Erste Bank das Schicksal einer feindlichen Übernahme? Angesichts ihres tief in den Keller geprügelten Börsenkurses müsste man das eigentlich annehmen. Mit 7,39 Euro notiert die Erste-Aktie mittlerweile mehr als 85 Prozent unter ihrem Höchstwert. Und damit bringt der mit Osteuropa eng verflochtene Wiener Finanzkonzern in Summe nur noch einen Börsenwert von rund 2,5 Milliarden Euro auf die Waage.
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Viel spricht jedoch dagegen, dass ein großer Mitbewerber oder eine Heuschrecke in Gestalt eines gierigen Hedge-Fonds - zumindest derzeit - gewillt wäre, sich dieses "Leichtgewicht" zu schnappen.
Der wohl triftigste Grund: Die Erste sitzt im Osten Europas so wie eine Reihe anderer ausländischer Geldinstitute auf einer tickenden Bombe - und zwar wegen möglicher Kreditausfälle in mehrfacher Milliardenhöhe infolge der generellen Konjunkturmisere. Seriös kann zum jetzigen Zeitpunkt niemand abschätzen, ob diese Bombe tatsächlich hochgeht und, wenn ja, welche finanziellen Schäden sie anrichtet. Darum würde sich auch kein Investor ein möglicherweise faul werdendes Ei in seinen Einkaufskorb legen wollen. Anders gesagt: Das Risiko wäre zu groß, für allenfalls sündteure Flurschäden, die den aktuell günstigen Kaufpreis weit übersteigen könnten, geradestehen zu müssen.
Ein weiterer wesentlicher Grund, der bei der Ersten eine feindliche Übernahme im Moment unwahrscheinlicher denn je erscheinen lässt: Praktisch alle Finanzakteure rund um den Globus sind mitten in der Krise vollauf mit ihren eigenen Problemen beschäftigt. Viele davon müssen die Scherben aus schief gelaufenen Geschäften zusammenkehren. Und das lässt potenzielle Interessenten zurzeit an alles andere als an Akquisitionen denken. Im Übrigen gilt das für sämtliche Branchen, nicht nur für die Finanzbranche.
Doch selbst wenn ein Investor als schwarzer Ritter die Erste ins Visier nehmen würde: Allzu weit käme er nicht - auch nicht mit einem Übernahmeoffert, das zum Beispiel 100 Prozent über dem jetzigen Börsenkurs liegt (was im konkreten Fall 14,78 Euro pro Aktie wären). Denn die Kernaktionäre der Bank, die gemeinsam mit 46,9 Prozent beteiligt sind, würden rasch - mit Zukäufen an der Börse - die fehlende Lücke zur einfachen Mehrheit (50 Prozent und eine Aktie) schließen. Eine Übernahme wäre damit blockiert.
Die Speerspitze in einem solchen Abwehrkampf wäre die Erste-Stiftung, die gut 31 Prozent der Anteile hält. Als Hauptaktionärin zieht sie federführend an einem Strang mit anderen Aktionären (Sparkassen, Austria Verein und Konzernmitarbeiter). Spekulationen, wonach die Stiftung mit dem Kursverfall der Ersten unter Druck geraten sei (so wie viele andere Investoren, die ihre Aktienpakete auf Kredit finanziert hätten), sind von der Bankführung bisher dementiert worden.