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Erste Präsidentin für Südkorea

Von WZ-Korrespondentin Sonja Blaschke

Politik

Diktatorentochter setzt sich knapp gegen Menschenrechtsanwalt Moon durch.


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Tokio/Seoul. Zwei Tage, bevor sie mit ihrer Wahl zur ersten Präsidentin Südkoreas Geschichte schreiben sollte, blickte Park Geun-hye ernst vom Titelblatt des US-amerikanischen "Time"-Magazins. Die 60-Jährige trug einen beigefarbenen Hosenanzug und darunter ein brombeerrotes Shirt. Ihr Blick war eine Mischung aus zurückhaltend-schüchtern, aber gleichzeitig wissend und Ruhe ausstrahlend. Sie wurde zitiert mit dem Satz: "Ich weiß, wie flüchtig und manchmal plagend politische Macht sein kann."

Die Überschrift kündigte sie mit "Die Tochter des starken Mannes" an. Andere nennen ihren Vater lieber einen Diktator, der in den 1960ern und 70ern das Land mit eiserner Hand führte, wieder andere loben Park Chung-hee als den Architekten des südkoreanischen Wirtschaftswunders.

Eine der Herausforderungen seiner ältesten Tochter, die am Mittwoch als Präsidentin gewählt wurde und im Frühjahr 2013 ihr Amt antreten wird, wird es sein, sich von der umstrittenen Vergangenheit ihrer Familie zu lösen. Doch gleichzeitig gilt eben dieses familiäre Erbe als einer der Hauptgründe, warum sie - eine Frau - es im patriarchalisch geprägten Südkorea an die Spitze des Landes gebracht hat. Einer kürzlich durchgeführten Studie des World Economic Forum zufolge rangiert Südkorea bei der Gleichberechtigung der Geschlechter auf Platz 108 von 135 Ländern und liegt damit inmitten arabischer Staaten.

Die Eltern von Park wurden beide ermordet

Aus der Biografie von Park lässt sich erahnen, wie viel Leidensfähigkeit, aber auch Stärke in ihr steckt. Ihre Mutter wurde 1974 von einem nordkoreanischen Agenten ermordet - die Kugel galt eigentlich dem Vater. Damals musste Park als 22-Jährige fünf Jahre lang die Aufgaben einer "First Lady" übernehmen. Die schmale Frau trat fortan im In- und Ausland neben ihrem Vater auf - bis er selbst 1979 erschossen wurde, durch den eigenen Sicherheitschef.

Als wäre das noch nicht genug, wurde Park, mittlerweile eine erfolgreiche Politikerin in der Regierungspartei, 2006 selbst angegriffen; ein Mann schlitzte ihre mit dem Messer eine elf Zentimeter lange Wunde in die Wange. Die Politikerin musste mit 60 Stichen genäht werden. Schon damals rechneten ihr die Wähler hoch an, dass sie sich nicht davon beirren ließ.

Am 19. Dezember erntete sie die Früchte für ihr Durchhaltevermögen. Nachdem Hochrechnungen des koreanischen Fernsehens bekannt wurden, wonach Park rund 51 Prozent der Stimmen erhalten haben soll, erstrahlte die südkoreanische Hauptstadt Seoul in ihrer Farbe, in Rot.

Ihre Anhänger versammelten sich vor dem Büro ihrer Partei, in der Eiseskälte des Winterabends mit roten Schals um den Hals, schwenkten rote Fahnen und riefen nach ihr. Sie waren erleichtert, dass sie den knappen Vorsprung vor ihrem Konkurrenten, dem 59-jährigen Moon Jae-in von der oppositionellen Democratic United Party, behaupten konnte. Denn in den letzten Wochen hatte er viel an Boden gutmachen können, am Ende trennten sie nur etwa ein Prozent.

Trotz ihrer Herkunft gilt Park als volksnah

Moon, ein ehemaliger Menschenrechtsanwalt und Büroleiter von Ex-Präsident Roh Moo Hyun, der vor allem an junge und liberale Wähler appellierte und gegen das politische Establishment, zu dem Park gehört, Stimmung machte, hatte zuletzt von dem Rücktritt zweier weiterer Kandidaten der Opposition profitiert.

Entgegen den Vorhersagen scheint er jedoch nicht durch die äußert hohe Wahlbeteiligung von über 75 Prozent an Stimmen gewonnen zu haben. Südkorea wollte den Wandel - aber im überschaubaren Rahmen. Denn am Ende siegten mit Park die Konservativen, wie am Sonntag mit Shinzo Abe und seiner liberaldemokratischen Partei (LDP) bei den Parlamentswahlen in Japan.

Trotz ihrer Herkunft aus einer privilegierten Familie gilt Park
als volksnah und zugänglich. Ihr Ziel als Präsidentin sei es, ihre Bürger zu beschützen. Dieses Versprechen gab sie auch vor dem Hintergrund eines erneuten nordkoreanischen Raketentests am 12. Dezember. Die Politikerin gilt als Verfechterin der Abschreckungspolitik, anders als ihr Gegenkandidat, der auf humanitäre Hilfe durch Lebensmittellieferungen setzen wollte. "Zukunftsorientiert", gesprächsbereit, aber gleichzeitig unnachgiebig will sie sich gegenüber Japan zeigen, mit dem sich Südkorea um die Insel Dokdo streitet, die in Japan Takeshima heißt.