Zum Hauptinhalt springen

Erste Proteste gegen geplante Verfassung

Von Leo Gabriel, Thessaloniki

Europaarchiv

Protagonisten des parallel zum EU-Gipfel in Thessaloniki stattfindenden "Gegengipfels" globalisierungskritischer Netzwerke weisen auf die mangelnde demokratische Legitimation des europäischen Verfassungsentwurfes hin und sehen im neuen Grundrechtskatalog einen Rückschritt hinter die Universelle Erklärung der Menschenrechte von 1949. Bei Zusammenstößen zwischen Demonstranten und der Polizei setzten die Ordnungshüter Tränengas und Wasserwerfer ein.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 21 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Ganz im Zeichen der Opposition gegen den vom Konvent der Europäischen Union vorgeschlagenen Verfassungstext fand in Thessaloniki ein so genannter "Gegengipfel" statt, zu dem die griechischen Netzwerke der globalisierungskritischen Bewegung eingeladen haben. In drei aufeinander folgenden Demonstrationen, von denen die erste am Donnerstagabend noch ohne Zwischenfälle verlief, wurde vor allem das Fehlen einer demokratischen Legitimation des neuen europäischen Grundgesetzes angeprangert.

"Die darin erwähnten Grundrechte dürfen nicht von oben aufoktroyiert sein; sie müssen das Resultat eines Aufbauprozesses im Rahmen demokratischer Institutionen sein, an dem die BürgerInnen selbst beteiligt sind", steht in der gemeinsamen Presseerklärung, die u.a. von der französischen Menschenrechtsliga, dem Internationalen Frauenmarsch, dem italienischen Gewerkschaftsverband CGIL und den Bewegungen des österreichischen Sozialforums unterzeichnet wurde.

Während zwei Tagen wurde in verschiedenen Plenarveranstaltungen und Seminaren in einem Kongresszentrum unweit des Weissen Turms der Verfassungsentwurf nach den Kriterien der europäischen Sozial- und Antikriegsbewegungen analysiert. Dabei wiesen namhafte VertreterInnen des Europaparlaments, der Gewerkschaften und verschiedener zivilgesellschaftlicher Organisationen vor allem auf die schwerwiegenden Defizite in seinem Grundrechtskatalog hin, der hinter die Universelle Erklärung der Menschenrechte aus dem Jahr 1949 zurückfiele.

So sei weder das Recht auf Arbeit noch das Recht auf Einkommen (z.B. Pensionen) verfassungsrechtlich verankert und auch die im Artikel 8 erwähnten Bürgerschaftsrechte "schließen Millionen Frauen und Männer aus, die auf dem Territorium der EU leben".

Während der Artikel 46 den zivilgesellschaftlichen Organisationen nur eine beratende Funktion zugesteht, weist der Artikel 51 den christlichen Kirchen eine tragende Rolle zu, von der die andere Konfessionen ausgeschlossen sind.

Um ihrem Protest Nachdruck zu verleihen, sind Tausende DemonstrantInnen zur etwa 200 km südlich von Thessaloniki gelegenen Halbinsel Chalkidike gereist, wo die Regierungschefs der EU tagten. Die griechische Regierung hat etwa 16.000 Polizisten dort zusammengezogen. Nach anfänglich friedlichen Großkundgebungen eskalierte schließlich teilweise die Situation und die Polizei setzte Tränengas und Wasserwerfer gegen die Demonstranten ein. Die Tumulte brachen laut Augenzeugenberichten aus, als vereinzelte Kundgebungsteilnehmer Steine auf Polizisten geworfen hätten.