Die ÖVP ist, was die SPÖ-Krise betrifft, entspannter Zuseher. Politischen Nutzen von der Schwäche des Partners hat sie nicht.
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Wien. Knapp über 22 Prozent. Nicht gerade ein üppiges Ergebnis. Nicht einmal ein Viertel der Stimmen konnten, wohlgemerkt beide Kandidaten der zwei Regierungsparteien zusammen, im ersten Wahlgang der Bundespräsidentschaftswahl erringen. Kein Rüffel, nein, ein Schlag ins Gesicht für die amtierende Regierung sei das gewesen, so der mediale Tenor nach dem für SPÖ und ÖVP desaströsen Wahlsonntag. Vom Ende einer Ära war die Rede, von einer Zeitenwende. Manche Kommentatoren sahen ein baldiges Ende der kleinsten großen Koalition der Zweiten Republik.
Die Antworten der Parteispitze boten altbekannte Botschaften. Man müsse noch näher zusammenrücken, die Koalitionsparteien aber sollten gleichzeitig ihr Profil schärfen, sagte beispielsweise ÖVP-Generalsekretär Peter McDonald. Es müsse einen "Relaunch" der der Regierungsarbeit geben, waren sich beide Koalitionsparteien einig.
Lange jedoch währte der mediale Fokus auf die Zukunft der gedemütigten Regierung nicht. Zu schnell ging die SPÖ dazu über, den bereits länger schwelenden Richtungsstreit nach außen zu tragen, eine offene Obmann-Debatte zu führen und sich über den Termin des für Herbst geplanten Parteitags zu streiten.
Ein Ausreißer
Die ÖVP konnte indessen eine Obmanndebatte nach der Wahlschlappe für Andreas Khol vermeiden. Einzig McDonald, so berichtete zumindest die "Presse", könnte als Konsequenz der Niederlage seinen erst jüngst von Gernot Blümel übernommenen Posten wieder räumen müssen. An den Erfolgschancen eines Regierungs-Neustarts zweifelt in der ÖVP nur der Salzburger Landeshauptmann Wilfried Haslauer. "Einem System wurde eine Abfuhr erteilt", ließ er sich drei Tage nach der Wahl zitieren. Die von "rot und schwarz geprägte Zweite Republik" würden die Leute nicht mehr wollen.
Neuwahlen sind aber weder für SPÖ noch für die ÖVP eine Option. Die FPÖ liegt in den Umfragen zu weit vorne, um es darauf ankommen zu lassen. Also lehnt man sich in der Volkspartei zurück und beobachtet die Krise beim Koalitionspartner quasi erste Reihe fußfrei. Dennoch: realpolitisch ausnützen kann die ÖVP die Schwäche des Koalitionspartners nicht. Der höchst angeschlagene Parteichef und der nicht entschiedene ideologische Streit in der Partei macht die SPÖ weitgehend verhandlungsunfähig. Dabei steht auch die ÖVP unter Druck. Seit Monaten laufen die Verhandlungen über eine Neugestaltung der Mindestsicherung, die oberösterreichische ÖVP-FPÖ- Landesregierung hat mit ihrem Vorstoß, diese für befristet Asylberechtigte zu kürzen, ein für die ÖVP im Bund beispielgebendes Vorbild geschaffen. Eine Einigung der Streitparteien ist noch nicht absehbar. Innerparteilich steht die ÖVP-Spitze zudem aufgrund der Registrierkasse unter Druck (siehe Seite 10). Und durch das weitere Abrutschen des Wirtschaftsstandorts Österreich in den internationalen Rankings werden die Stimmen in der Partei lauter, die meinen, dass die ÖVP in dieser Frage wieder ihr Profil schärfen müsse. Um die Ausrichtung für diese Fragen innerparteilich zu klären, hält die ÖVP am 20. Mai eine "Zukunftskonferenz" ab, um den "Evolutionsprozess" aus dem Vorjahr fortzusetzen und die Partei weiterzuentwickeln. Das kündigte Parteiobmann Reinhold Mitterlehner am Dienstag nach dem Ministerrat an. "Zeitnahe" zur Bundespräsidenten-Stichwahl werde außerdem ein Bundesparteivorstand stattfinden.
Weiter offener Streit der SPÖ
Punkto Parteiausrichtung schlägt Wolfgang Hattmannsdorfer, Landesgeschäftsführer der ÖVP Oberösterreich, seinem Parteichef Mitterlehner, selbst Oberösterreicher, vor, in ein paar Punkten zurückzurudern. Bei den Registrierkassen hätte man "über das Ziel hinausgeschossen", ebenso bei den bürokratischen Hürden für Vereine. Die Umsatzgrenze müsse auf 30.000 Euro verdoppelt werden. Ebenso weist er darauf hin, dass beide Parteien nur dann überleben, wenn sie sich leben lassen: "Wenn man versucht, den anderen klein zu halten, hat eine Partnerschaft keine Zukunft". Trotz der großen ideologischen Gegensätze hätte man sich auf ein Regierungsprogramm geeinigt - "das sollen SPÖ und ÖVP auch abarbeiten."
Fraglich, ob die SPÖ in den kommenden Wochen dazu in der Lage sein wird. Die große Koalition sei gescheitert, Neuwahlen müssten her, tönte am Dienstag Vorarlbergs SPÖ-Chef Michael Ritsch. Sein Tiroler Pendant Ingo Mayr sprach sich gleichzeitig für den Verbleib Faymanns an der Parteispitze aus. Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser schlug vor, in der strittigen FPÖ-Koalitionsfrage künftig einen Kriterienkatalog für die Zusammenarbeit mit anderen Parteien festzulegen. In Bund, Ländern und Gemeinden könnten dann ein Ausschuss, die Parteimitglieder oder auch die Bürger entscheiden, ob man mit der FPÖ eine Koalition eingeht, so Kaiser.