Die Präsentation der eigenen Begehrlichkeiten stand im Vordergrund der gestern gestarteten Verhandlungen über einen neuen Finanzausgleich. Für Kompromissszenarien war da natürlich noch keine Zeit.
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Seit Wochen und Monaten schon richteten sich die Vertreter von Städten und Gemeinden, der Bundesländer und des Bundes gegenseitig über den Umweg der Öffentlichkeit aus, was denn am Ende der Verhandlungen herauszukommen habe. Seit gestern 10 Uhr sollte damit eigentlich Schluss sein, fiel da doch der eigentliche Startschuss für den offiziellen Teil der Finanzausgleichsverhandlungen. Substanzielles kam dabei jedoch nicht heraus, sieht man einmal davon ab, dass man sich über die grundlegenden Summen der in den Jahren seit 1990 verteilten Finanzmasse verständigte. Wie genau sich jedoch seitdem die Verteilung dieser Masse zwischen den verschiedenen Gebietskörperschaften veränderte, darüber war schon kein Konsens mehr zu erzielen.
Schenkt man den Worten von Finanzminister Karl-Heinz Grasser Glauben, so unterstützen sämtliche Partner das grundsätzliche Ziel einer "stabilitätsorientierten Finanzpolitik". Allerdings scheint darunter jeder der Beteiligten etwas anderes zu verstehen. Grasser geht hier von "einem über einen Konjunkturzyklus ausgeglichenen Staatshaushalt" aus. Dementsprechend will er in einem neuen Stabilitätspakt ein Nulldefizit bis 2008 festschreiben. Für die Jahre von 2005 bis 2007 ist dagegen ein gesamtstaatliches Defizit eingeplant. 2005 soll dieses laut Grasser bei 1,5 bis zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts liegen. Für heuer rechnet der Finanzminister mit einem Defizit von 1,3 Prozent.
Wiens SPÖ-Finanzstadtrat Sepp Rieder, der auch als Verhandlungsführer auf Länderseite fungiert, betrachtet jedoch "derzeit einen ausgeglichenen Haushalt nicht als vorrangiges Ziel". Ihm liegen Finanzmittel für "konjunkturpolitische Impulse" mehr am Herzen, erklärte er unmittelbar vor Beginn der Pressekonferenz Grassers.
Eine kleine Überraschung brachte das seit Jahrzehnten diskutierte Thema "Abgabenhoheit für die Länder". Grasser will hier zwar keinen radikalen Ansatz, wie ihn etwa die Schweiz verfolgt, kann sich aber vorstellen, etwa reine Bodensteuern der Hoheit der Länder zu überantworten. Diese wollen nun bis Mitte September ein Detailkonzept vorlegen.
Grasser: 2008 kommt nächste Steuerreform
Für den Verhandlungsführer auf Länderseite ist es unerlässlich, dass Städte und Gemeinden für die ihnen durch die letzte Steuerreform des Bundes verursachten Einnahmeneinbußen bzw. Mehrkosten entschädigt werden. Deren summierte Forderung in der Höhe von 4,2 Mrd. Euro stößt bei Grasser jedoch auf vehemente Ablehnung: "Es kann nicht sein, dass man eine Steuerreform macht, die den Steuerzahler um 3,8 Milliarden Euro entlastet und dann kommt eine Forderung nach vier Mrd. Euro mehr."
Statt einer Erhöhung der Abgaben plant Grasser nämlich bereits die nächste Steuerreform, um das Ziel, die Abgabenquote bis 2010 auf unter 40 Prozent zu drücken, zu erreichen. Allerdings nicht mehr in dieser Legislaturperiode, sondern erst um das Jahr 2008 herum, wie Grasser auf Nachfrage präzisiert.