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"Erste-Vertriebsehe begeistert mich"

Von Karl Leban

Reflexionen
VIG-Boss Günter Geyer: "In Zentral- und Osteuropa rechnen wir auch für 2010 mit Wachstumsraten, aber auf niedrigem Niveau. In Österreich sehen wir keine Belebung am Versicherungsmarkt." Foto: Newald

VIG kämpft darum, als Hauptversicherer bei der AUA an Bord zu bleiben. | 100-Millionen-Sparziel: 40 Prozent sind erreicht. | "Wiener Zeitung": Hätte ein Fallenlassen der Hypo Alpe-Adria das Geschäft der Vienna Insurance Group (VIG) am Balkan, wo dieses Geldinstitut stark vertreten ist, in Mitleidenschaft gezogen? | Günter Geyer: Nicht unmittelbar - mit der Bank selbst haben wir praktisch null Beziehungen in Südosteuropa. Indirekt wären wir aber getroffen worden, weil das Image Österreichs gelitten hätte.


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Eine Pleite wäre für die Stabilität, die Österreich ausstrahlt - gerade in diese Nachbarländer, mit denen es historische Gemeinsamkeiten gibt -, katastrophal gewesen. Daher bin ich überzeugt, dass unsere Regierung hier die beste Lösung gefunden hat.

Die jüngste Vergangenheit hat klar gezeigt, dass Versicherer nachhaltiger wirtschaften als Banken. Wie erklären Sie sich das?

Gründe sehe ich in der Art des Geschäfts. Versicherer sind langfristig orientiert. In der Lebensversicherung wird fast in Generationen gedacht. Die Veranlagungsvorschriften, die sehr streng kontrolliert werden, geben gewisse Sicherheit, dass nichts Dramatisches passieren kann. Im Vergleich zu den Banken sind diese Vorschriften restriktiver. In der Sachversicherung ist es die jahrzehntelange Erfahrung, die sich in der Kalkulation von Risiken niederschlägt.

Seit 2008 fährt die VIG mit ihrem Bankpartner Erste Group eine groß angelegte Vertriebskooperation in Österreich und Osteuropa. Welchen Mehrwert kann sie da generieren?

Für 2009, das erste volle Jahr, gehen wir von rund zwei Millionen Neuverträgen in der Sachversicherung aus. In der Lebensversicherung werden wir dank der Kooperation in den meisten Ländern zweistellige Zuwachsraten haben - Ausnahme sind die Euro-Länder. Diese Erwartungen sind weitgehend abgesichert. Vom Ergebnis der Zusammenarbeit bin ich begeistert. Die Kooperation ist auch ein starkes Asset in der Krise.

Sie haben dem Konzern heuer ein Sparprogramm verordnet. Wie ist der Stand bei der Umsetzung?

Bis Ende 2010 wollen wir 100 Millionen Euro bei den Sach- und Personalkosten nachhaltig einsparen. Davon sind etwa 40 Prozent erreicht. Im In- und Ausland haben wir jetzt rund 1000 Mitarbeiter weniger - alles natürliche Abgänge, die nicht ersetzt wurden. In Österreich sind es mehr als 150 Mitarbeiter weniger.

Im Inland wollen wir viele Verwaltungsabteilungen bündeln. Die Personenversicherung wird demnach im Raum Wien erledigt, für die Sachversicherung gibt es zwei Leistungszentren, eines in Wien und eines in Linz. Jene Mitarbeiter in den Bundesländern, deren Arbeit verlagert wird, bekommen andere Arbeiten angeboten. Kündigungen gibt es keine.

Ist die VIG als einstiger AUA-Aktionär weiterhin Hauptversicherer der Airline? Wenn ja: Ist sie so wie der Flughafen Wien oder die OMV zu einem Sanierungsbeitrag aufgefordert worden?

Für 2010 gibt es eine Neuausschreibung. Wir haben uns beworben, eine Entscheidung erwarten wir in den nächsten vier bis sechs Wochen. Die AUA hat uns aber nicht eingeladen, ein Angebot mit einem Sanierungsbeitrag auf den Tisch zu legen. Wir können keine Prämien herschenken, die sind streng kalkuliert.

Wie hoch sind die jährlichen Prämieneinnahmen bei der AUA?

Es sind rund fünf Millionen Euro brutto.

Wenn Sie einen Blick in die Kristallkugel wagen: Wie wird das Jahr 2010 für die VIG?

Es wird schwierig und sehr anspruchsvoll werden. Ich gehe aber davon aus, dass es uns möglich sein wird, wieder Gewinne zu machen. In Zentral- und Osteuropa rechnen wir auch für 2010 mit Wachstumsraten, aber auf niedrigem Niveau. Unsere Hauptstützen werden Tschechien, Slowakei, Polen und Rumänien sein. In Österreich sehen wir keine Belebung am Versicherungsmarkt, eher ein Nullwachstum. Hier spielen realwirtschaftliche Auswirkungen der Krise eine Rolle: weniger Investitionen, weniger Bestellungen und steigende Arbeitslosigkeit.

Gibt es etwas, was Ihnen besondere Sorgen macht?

Ja, und zwar wie die Schuldenlast der öffentlichen Haushalte bereinigt werden soll. Wir sind erstmals damit konfrontiert, dass Länder im Euro-Raum dramatische Probleme haben. Man liest über Griechenland, man liest über Spanien. In einigen Staaten ist die Verschuldung extrem hoch. Wir kennen noch keine Konzepte, wie sie reduziert werden soll. Die Frage, die da mitspielt, ist: Reichen die bisherigen Budgetmaßnahmen für das Anspringen der Konjunktur oder bedarf es dafür weiterer Initiativen, die budgetär aber nur noch schwer leistbar wären?

Noch bis Ende Juni 2010 sind Sie Präsident des Versicherungsverbandes. Sind Wünsche der Branche an die Bundesregierung offen?

Wir erwarten uns für nächstes Jahr, dass in der betrieblichen Altersvorsorge Hindernisse für die betriebliche Kollektivversicherung wegfallen. Beamte und Dienstnehmer im öffentlichen Bereich sind derzeit gezwungen, zu Pensionskassen gehen. Sie sollten ein freies Wahlrecht bekommen, und es sollte generell die Möglichkeit gegeben sein, von einer Pensionskasse in eine betriebliche Kollektivversicherung zu wechseln und umgekehrt.

Daneben wünschen wir uns bürokratische Erleichterungen. Wir wollen seit langem, dass die Verpflichtung, bei fast allen Vertragsänderungen ein Paket Papier mitzuschicken, auf Wunsch des Kunden entfallen darf. Die Möglichkeiten des Internet würden uns eine Papierstraße, so lang wie von Wien nach Graz, ersparen. Das wäre auch CO2-mindernd.

Beide Fälle wären in keiner Weise eine Belastung für das Budget. Steuerwünsche will ich hingegen nicht äußern, weil ich verstehe, dass die Republik derzeit andere Sorgen hat, als Zuckerl zu verteilen - auch wenn eine steuerliche Förderung etwa bei der Pflegevorsorge sinnvoll wäre.

Günter Geyer (66) steht seit mehr als acht Jahren an der Vorstandsspitze der Vienna Insurance Group (Wiener Städtische). Sein Vertrag läuft noch bis Mitte 2013.