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Erste Wahlen in Riad

Von Anne-Beatrice Clasmann

Politik

Das weiße Plastikzelt auf einem staubigen Gelände im Norden der saudi-arabischen Hauptstadt Riad ist grell erleuchtet. Rund 200 Männer in weißen Gewändern haben sich an diesem kühlen Februarabend darin versammelt, um den Worten von Ibrahim Al Kueid zu lauschen, der als Kandidat bei den ersten landesweiten Wahlen des islamischen Königreichs antritt.


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Der Autor frommer Bücher trägt zur Erbauung seiner Zuhörer gerade ein Gedicht vor. Anschließend wird das Essen aufgetragen: Reis mit Lammfleisch, Salat und Gebäck. Wahlkampf auf Saudiarabisch ist teuer.

Jahrzehntelang hat das Herrscherhaus von Saudiarabien die Demokratie als unislamische Erfindung des Westens verteufelt. Jetzt vergeht kaum ein Tag, an dem es nicht seinen Willen zu demokratischen Reformen betont. Auch dass nun erstmals die Hälfte der Gemeinderatsmitglieder vom Wahlvolk und nicht von der Königsfamilie bestimmt werden, ist Teil dieser Reformen - in den Augen der Liberalen sind es allerdings eher "Reförmchen".

Gewählt wird am kommenden Donnerstag zuerst in der Region Riad, in den darauf folgenden zwei Monaten dann auch im Westen und Osten des Landes. In Riad, wo der Wahlkampf seit dem vergangenen Samstag läuft, hängen inzwischen überall Plakate, auf denen die Kandidaten ihre Mitbürger zum Besuch ihrer Wahlkampfzelte einladen.

Mit ihren kleinen Reformschritten geben die Herrscher des Wüstenstaates zum Teil dem Druck der US-Regierung nach, die ihnen trotz der Ölinteressen, die beide Staaten verbinden, auf den Fersen ist. Denn dass 15 der insgesamt 19 Flugzeugattentäter des 11. Septembers 2001 aus dem saudischen Königreich stammten, ist in ihren Augen kein Zufall und als einer der Gründe dafür wurde die undemokratische Herrschaftsform ausgemacht.

Plötzlich entdecken die Wahlkampfhelfer eine Frau vor dem Zelt. "Für Frauen ist das Betreten verboten", rufen die jungen Männer aufgeregt. Der Kandidat mit dem grau melierten Bart, der einst in den USA studiert hatte, hat mit der Anwesenheit einer ausländischen Frau im Zelt dagegen kein Problem. Al Kueid, der als Funktionär einer islamischen Jugendorganisation 15 Jahre lang im muslimischen Ausland geholfen hat, die konservative wahhabitische Version des Islam zu verbreiten, die in Saudiarabien Staatsreligion ist, geht es auch gegen den Strich, dass die saudiarabischen Frauen bei den ersten Wahlen weder kandidieren noch wählen dürfen. Überhaupt versteht sich der Islamist als Reformer: "Wenn es nach mir ginge, würden nicht nur die Hälfte der Gemeinderatsmitglieder durch Wahlen bestimmt, sondern auch die Mitglieder des nationalen Shura-Rates (eine Art Parlament ohne konkrete Machtbefugnisse)."

Neben Kandidaten wie Al Kueid, die durch ihre Arbeit für islamische Stiftungen bekannt sind, treten vor allem reiche Geschäftsmänner und Stammesführer an. Al Kueid verspricht in seinem Wahlprogramm den Ausbau der Bibliotheken in den Moscheen und eine Preisüberwachung auf den Märkten.

Dhafer al Yami, von Beruf Rechtsberater, tritt mit dem Slogan an: "Nein zur Korruption!"

"Nicht alle entscheiden nach dem politischen Programm eines Kandidaten, viele geben ihre Stimme einfach demjenigen, der zu ihrem Stamm gehört, wir sind halt immer noch eine Stammesgesellschaft und ich kann darin auch nichts Schlechtes sehen", erklärt ein Funktionär des Erziehungsministeriums, der zu den nur 149.000 Saudis gehört, die sich in Riad in die Wählerlisten eingetragen haben. "Man darf nicht vergessen, dass dies hier ein Experiment für die Saudis ist, die erst mal lernen müssen, was Wahlen tatsächlich bedeuten", erklärt einer der ausländischen Berater der Wahlkommission. dpa