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Erster Schritt zu mehr Bildungsqualität?

Von Thomas Mayr

Politik

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Die Aufregung um die angekündigte Stundenreduktion an den österreichischen Schulen ist groß. Vor allem die Lehrerschaft stellt sich vehement gegen die Entlastungsverordnung des Bildungsministeriums. Das ist auf den ersten Blick nicht verwunderlich, denn die Stundenkürzung bedeutet weniger neue Lehrverpflichtungen und weniger Überstunden. Die prinzipielle Frage, für wen Schulen denn primär da sind, für Lehrer oder doch für Schülerinnen und Schüler, geht in den Protesten komischerweise unter.

Nüchtern betrachtet spricht einiges für eine Reduktion der Schulstunden. Der große Wurf ist eine Kürzung für sich allein allerdings nicht, sie kann nur Beginn für eine grundlegende Reformdiskussion sein.

Doch zuerst ein Blick auf die Fakten: Die Stundenzahl an Österreichs Schulen liegt tatsächlich deutlich über dem in anderen Ländern üblichen Niveau. Lediglich in Mexiko sitzen Schüler länger im Unterricht als in Österreich. Selbst die Kritik an der Berechnung der Stundenzahl mag an diesem Befund nichts ändern. Schulsysteme sind vielschichtig und sehr unterschiedlich, rein quantitative Indikatoren sind daher immer angreifbar.

Dennoch, selbst wenn einige der methodischen Einwände zutreffen und bestimmte Freifächer oder die schulautonom freien Tage tatsächlich unzulässigerweise in die Stundenzahl eingerechnet wurden, so ändert sich nichts am prinzipiellen Ergebnis. Österreichs Schüler haben deutlich mehr Unterricht als gleichaltrige Jugendliche in anderen Ländern. Dass sie dabei mehr lernen als Schüler in anderen Ländern trifft allerdings nicht zu.

Bei der PISA Studie, mit der die OECD mittels standardisierter Tests grundlegende Kompetenzen von 15/16-Jährigen in insgesamt 32 Länder untersuchte, lagen die österreichischen Schüler gerade im Mittelfeld.

Das ist nicht schlecht, aber eben auch nicht sonderlich gut. Vor allem, wenn man bedenkt, dass die staatlichen Ausgaben pro Schüler in Österreich ebenfalls überdurchschnittlich hoch sind. Die Spitzenplätze, die man angesichts der hohen Bildungsausgaben und der hohen Zahl an Unterrichtsstunden eigentlich erwarten würde, erreichen wir nicht.

Die Welt bewegt sich und mit ihr verändern sich die Anforderungen, die an Schulen gestellt werden. Weniger das vermittelte Faktenwissen, sondern die Entwicklung von Selbstständigkeit, Lernfähigkeit und Lernmotivation ist in einer Zeit raschen Wandels die primäre Aufgabe von Schulen und Grundvoraussetzung dafür, dass das Lebenslange Lernen Wirklichkeit werden kann.

Sicher, die Stundenreduktion allein bringt noch keine Verbesserung, doch sie kann ein erster wichtiger Schritt zu mehr Bildungsqualität und höherer Effizienz sein. Dann nämlich, wenn aufgrund dieser Vorgabe ein Nachdenken über die grundlegenden Ziele und Kerninhalte von schulischer Bildung initiiert wird, das zu qualitativen Verbesserungen führt und den Weg für neue und innovative Unterrichtsmethoden ebnet.

Denn trotz detaillierter Lehrpläne herrscht Unklarheit darüber, was die grundlegenden Kompetenzen sind, über die Jugendliche nach Absolvierung der Schulpflicht verfügen müssen. Seit kurzem arbeitet eine Zukunftskommission im Bildungsministerium an der Entwicklung von Leistungsstandards. Diese Kommission wird auch Vorschläge zu einer Reform der Lehrpläne, zu Verbesserungen bei den Unterrichtsmethoden und auch zur Ausbildung und Weiterbildung von Lehrern machen.

Dies ist alles wichtig und gut, doch die Diskussion um die Zukunft der Schulen darf nicht allein einer Zukunftskommission überlassen werden. Alle Betroffenen - insbesondere natürlich Schüler, Eltern und Lehrer sowie die Wirtschaft und weiterführende Schulen und Hochschulen als Abnehmer - sind gefordert, sich bei der Gestaltung der Schule der Zukunft einzubringen. Und Fragen zu stellen, auch danach, für wen Schulen denn wirklich da sind.

Thomas Mayr ist Geschäftsführer am Institut für Bildungsforschung der Wirtschaft.