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Erster Test für Berlin-Koalition

Von Christine Zeiner

Europaarchiv

Kopf-an-Kopf- Rennen mit Rot-Grün erwartet. | Rüttgers warnt vor Linkspartei. | Düsseldorf. Dort, wo heute das Fußballstadion ist, soll ein Baumarkt entstehen. Auch der Sportplatz, das Freibad, die Musikschule und das Jugendberatungs-Café werden geschlossen. Remscheid hat kein Geld mehr dafür. Die Stadt liegt sechzig Kilometer entfernt von Düsseldorf, dem Sitz der Regierung von Nordrhein-Westfalen. An diesem Sonntag wird der Landtag neu gewählt.


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Wenige Tage vor der Wahl ist Jürgen Rüttgers nach Remscheid gekommen, um die Basis zu mobilisieren. Es läuft nicht gut für den Ministerpräsidenten und CDU-Spitzenkandidaten. Und auch nicht für den Koalitionspartner FDP. Griechenland bestimmt jetzt den Wahlkampf. So wie Remscheid geht es vielen Städten und Gemeinden in "NRW" finanziell schlecht, vor allem im Ruhrgebiet.

Das Land kämpft mit dem Strukturwandel. Eine Zeche nach der anderen wurde geschlossen. Dort, wo es früher eine starke Arbeiterschaft gab, schossen die Arbeitslosenzahlen in die Höhe. "Die Politik hat einiges getan, um dem Wandel entgegenzuwirken, zum Beispiel Hochschulen errichtet. Das aber federte den Absturz bestenfalls etwas ab", sagt Martin Junkernheinrich vom Institut für Stadt- und Regionalökonomie an der Technischen Uni Kaiserslautern. Die Soziallasten waren über die Jahre gestiegen, doch Bund und Länder stockten Gelder nicht weiter auf.

Die Kommunalaufsicht habe außerdem zu lange die Augen zugedrückt: Von Jahr zu Jahr wurden die Schulden höher. Dann kam die Wirtschaftskrise, die Steuereinnahmen sanken und die Kosten explodierten. Dass es nun Kredite für Griechenland geben soll, dafür fehlt so manchem Deutschen das Verständnis. Die Linkspartei stimmte am Freitag in Berlin geschlossen gegen das Hilfspaket der Regierung: Es trage nicht dazu bei, "Griechenland wirklich aus der Krise zu führen".

Rot-Rot-Grün?

Die Linke in Nordrhein-Westfalen gilt eigentlich als wirrer Haufen. Doch sie könnte vom Thema Griechenland am Sonntag profitieren. "Die wollen Grund und Boden verstaatlichen, den Religionsunterricht abschaffen und Drogenunterricht einführen", wettert Rüttgers und warnt eindringlich vor Rot-Rot-Grün.

Der Linken geht es - wie auch den Sozialdemokraten und den Grünen - am Sonntag auch darum, die Mehrheitsverhältnisse in der Länderkammer in Berlin zu ändern: Es soll der Bundesregierung schwer gemacht werden, Gesetze durchzubringen. Für weitere Steuersenkungen sei kein Geld da, sagt zwar auch Rüttgers. Im Dezember hat er aber dem ersten Teil der Steuersenkungspläne im Bundesrat zugestimmt.

Laut Umfragen lehnen die Deutschen Steuersenkungen mehrheitlich ab. Überhaupt stellen viele der Regierung in Berlin kein gutes Zeugnis aus. Das fällt auf Rüttgers zurück. Vor einigen Monaten noch galt seine Wiederwahl als sicher. Nach 39 Jahren SPD-Regierung hatte 2005 die CDU den Wechsel in NRW geschafft. Doch neben dem Unmut über die Politik von Konservativen und Liberalen in Berlin tauchten für Rüttgers unangenehme Geschichten in den Medien auf. Im Februar wurde bekannt, dass auf dem CDU-Parteitag im März Exklusivgespräche mit dem Ministerpräsidenten verkauft werden hätten sollen. Rüttgers erklärte, von all dem nichts gewusst zu haben, sein Generalsekretär und Wahlkampfmanager musste gehen. Es blieb nicht der einzige Dämpfer: Die CDU soll auch eine als "unabhängig" deklarierte Wählerinitiative finanziert haben.

In den Umfragen liegt die CDU mittlerweile Kopf an Kopf mit der SPD. Deren Spitzenkandidatin Hannelore Kraft wünscht sich eine Koalition mit den Grünen. Ein solches Bündnis hätte derzeit zwar mehr Stimmen als eines aus CDU und FDP -- reichen würde es trotzdem nicht. Und ob die Grünen von ihrem Standpunkt, kein neues Kohlekraftwerk zulassen zu wollen, abrücken würden, ist ungewiss.

"Bitte helfen Sie mir"

Die Partei will auch das fast fertig gebaute E.on-Kraftwerk "Datteln 4" stoppen. Die CDU wiederum kämpft für Datteln. Für die SPD wäre in diesem Punkt ein Bündnis mit der CDU also leichter. Sie hält sich diese Variante ohnehin offen, genauso wie die Grünen - allerdings nur ohne Rüttgers. Und so ruft Rüttgers seinen Anhängern in Remscheid zu: "Diese Wahl steht auf des Messers Schneide. Bitte helfen Sie mir."