Christian Kern fordert in seiner Regierungserklärung im Nationalrat einen neuen Stil - von Regierung und Opposition gleichermaßen.
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Wien. "Wir wollen die Hoffnung nähren und nicht die Sorgen und Ängste der Menschen. Wir wollen eine Politik des Zukunftsglaubens der Hoffnungslosigkeit gegenüberstellen. Wir wollen eine Politik der Weltoffenheit der geistigen Verengung gegenüberstellen. Und wir wollen eine Politik der Heimatverbundenheit und des Patriotismus dem Chauvinismus und der Hetze gegenüber Minderheiten gegenüberstellen." Christian Kern, der 13. Bundeskanzler der Zweiten Republik, hat in seiner Regierungserklärung im Nationalrat am Donnerstag vor allem eine neue Politik des Miteinanders ins Zentrum gestellt.
Seine Antrittsrede wurde von Bundespräsident Heinz Fischer und Rechnungshofpräsident Josef Moser, die beide im Juli abgelöst werden, von der Galerie aus verfolgt. Auf der Regierungsbank war die gesamte Bundesregierung vertreten.
Wie bereits bei seinem ersten öffentlichen Auftritt am Dienstag hat Kern neuerlich den Stillstand der vergangenen Jahre erwähnt und das Bedürfnis der Menschen, "dass wieder ein Ruck durch dieses Land geht". Die Erwartungen seien groß, nicht alles werde erfüllt werden können - schon deshalb nicht, weil das Land stark durch Lobbys, Interessenlagen und Föderalismus geprägt sei. "Aber was ich Ihnen versprechen kann, ist, dass wir mit jeder Faser unseres Wollens, dass wir mit unserer gesamten Leidenschaft und mit jeder Minute unseres Denkens versuchen werden, die Dinge in die richtige Richtung zu bewegen."
Dem folgte ein weiteres Versprechen, nämlich sich den vielfältigen Terminanfragen entziehen und stattdessen nachdenken zu wollen. "Weil sich dieses Land eine politische Führung nicht leisten kann, die sich keine Zeit zum Nachdenken nimmt." In der Vergangenheit ist das Kerns Meinung nach offenbar zu wenig geschehen. Es sei politischer Inhalt durch taktischen Opportunismus ersetzt worden. Zukunftsbilder seien verloren gegangen, damit müsse man brechen. "In dieses geistige Vakuum, in diese Ritzen dieses Vakuums, dieses Gebäudes kriecht natürlich umso leichter das Vorurteil und die billige Pointe." - Das ging in Richtung Opposition, vor allem an die FPÖ. Wie er überhaupt mehrmals auch die Opposition ins Boot holte - sowohl in seiner kritischen Auseinandersetzung mit der Vergangenheit als auch in seiner Hoffnung auf eine gedeihlichere Zusammenarbeit in der Zukunft.
Programmatisch wurde der neue Bundeskanzler noch nicht. Er versprach aber, gemeinsam mit dem Regierungspartner ÖVP ein Projekt zu entwickeln, einen New Deal, um die Wirtschaft wieder in Schwung zu bringen. Die steigende Arbeitslosigkeit, die geringe Investitionstätigkeit, die mangelnde Konsumbereitschaft aufgrund der Reallohnverluste in der Vergangenheit haben die Stimmung für Investitionen nicht befördert. "Wir müssen versuchen, die Stimmung in diesem Land zu drehen", sagte Kern. Denn: "Die größte Wachstumsbremse ist am Ende des Tages die schlechte Laune."
Es brauche kurzfristig eine Investitionsbereitschaft, um private Unternehmer zu stärken. Er wolle einen Plan für 2015 entwickeln, der einen Rahmen schaffe, in dem sich die Wirtschaft besser entwickeln könne.
Dass Kern sich in seinen ersten Reden eher dem Stil als der Programmatik widmet, beurteilt der Politikwissenschafter Peter Filzmaier als völlig legitim. Allzu konkrete Ankündigungen würden nun gleich wieder Sand ins Getriebe bringen, falls sie nicht umgesetzt werden könnten. Andererseits, sagt der Politikexperte, müsse Kern spätestens im Spätsommer oder Herbst greifbare politische Maßnahmen - im Budget oder in einem Gesetz - vorlegen.
Vizekanzler Reinhold Mitterlehner ergriff die symbolisch ausgestreckte Hand des Kanzlers, indem er seinerseits die beiden Regierungsfraktionen im Nationalrat aufforderte, den neuen Regierungsstil mitzutragen, aber auch die Opposition: "Wir brauchen ein anderes Miteinander." Und: "Das wird alles in einem anderen Ton erfolgen müssen." Was ihn sicher mache, dass es diesmal klappt: 1. der Druck. 2. Die feste Absicht aller Beteiligten. 3. Das Momentum, das ein Neuer bringe. "Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne."
Mitterlehner wirkte sehr gelöst, lächelte während seiner Ausführungen, die durchaus auch sehr viel Selbstkritik beinhaltet haben - aber auch eine Darstellung des Erreichten.
Von der Opposition wurde Kern mit Vorschusslorbeeren aufgenommen. Nur FPÖ-Klubobmann Heinz-Christian Strache sparte nicht mit Kritik und verwies auf die x-te Regierungsumbildung. Grünen-Klubobfrau Eva Glawischnig kritisierte das. Es sei "unglaublich respektlos", die neue Regierung schon zu kritisieren, bevor sie überhaupt angetreten sei. Für die Regierung sah sie noch eine letzte Chance.
Selbst ÖVP-Klubobmann Reinhold Lopatka zeigte sich als ein vom Saulus zum Paulus Gewandelter. Er habe bisher auf die Vergangenheit Kerns Bezug genommen, nun werde er sich mit der Zukunft befassen.
Ehrenämter für Fischerund Faymann
Bundespräsident Heinz Fischer und Altkanzler Werner Faymann werden von der Regierung ehrenamtliche Aufgaben erhalten, wie der Ministerrat beschlossen hat. Faymann wird ins Kuratorium des "Zukunftsfonds" berufen, Fischer soll das Gedenkjahr 2018 vorbereiten. Für beide Funktionen gibt es ein Büro mit Assistenz, aber kein Gehalt. Faymann hat keinen Anspruch auf Gehaltsfortzahlung, weil er ein Nationalratsmandat annehmen hätte können - worauf er aber verzichtet hat.