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Erstes Kometen-Landegerät wird geweckt

Von Christoph Driessen

Wissen

Europäische Wissenschafter wollen die Kinderstube des Sonnensystems unter die Lupe nehmen.


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Köln. (apa/dpa) Europäische Wissenschafter stehen kurz davor, an einen Kometen anzudocken und ihn erstmals aus der Nähe zu beobachten. Im November wird die Weltraumsonde "Rosetta", die schon seit zehn Jahren im All ist, dem Kometen "67P/Tschurjumow-Gerassimenko" ganz nahe sein. So nahe, dass sie ein Landegerät von der Größe eines Kühlschranks auf den Himmelskörper absetzen kann - den Lander "Philae". Noch befindet sich der dreibeinige Kasten in Winterstarre. Doch am Freitag (28. März) wollen ihn Ingenieure des Deutschen Zentrums für Luft-und Raumfahrt (DLR) in Köln in Betrieb nehmen.

Bisher ist noch nie eine Sonde auf einem Kometen gelandet. Die japanische Sonde "Hayabusa" war aber 2005 auf einem Asteroiden und hat Jahre später Bodenproben zur Erde zurückgebracht.

"Philae" wird über ein Kommando hochgefahren und voraussichtlich gegen 15.30 Uhr erstmals Daten nach Köln übermitteln. "Dann werden wir wissen, ob dieses erstmalige Einschalten des Landers gut funktioniert hat und der Lander gesund ist", sagt Projektleiter Stephan Ulamec. Der in Graz ausgebildete Geophysiker, seit 1994 beim DLR, hat "Philae" von Anfang an mitkonzipiert. Wenn alles klappt, rückt der Komet ins Blickfeld. Wie sieht er aus? Ulamec muss passen: "Keine Ahnung." Das müssen die Experten der europäischen Raumfahrtagentur ESA erst herausfinden. Genaueres dürfte im Sommer feststehen. Dann ist "Rosetta" näher an ihm dran und kann schärfere Bilder machen. Als "Philae" gebaut wurde, dachten die Forscher noch, die Oberfläche dieses Kometen bestünde aus hartem Eis. Mittlerweile glauben sie eher an weichen Neuschnee. "Es ist sehr, sehr, sehr spannend", sagte Ulamec. "Philae" darf bei der Landung bloß nicht umkippen.

Wenn das mit Instrumenten vollgestopfte Minilabor sicher gelandet ist, sich festgekrallt und seine Fühler ausgestreckt hat, können die Forscher zum ersten Mal in der Geschichte der Raumfahrt einen Kometenschweif genau untersuchen. Bisher gab es immer nur kurze Momentaufnahmen im Vorbeifliegen, doch nun wird "Philae" für Monate auf einem Kometen durchs All reiten.

Dem leuchtenden Schweif kommt dabei besondere Bedeutung zu. "Das ist ja das Schöne an Kometen", schwärmte Ulamec. "Dadurch sieht man sie ja auch von der Erde." Das Anhängsel ist nicht fest, es besteht aus Gasen - hauptsächlich Wasserdampf -, die Staubteilchen mit sich mitreißen. Die Wissenschafter hoffen erstmals beobachten zu können, wie sich ein solcher Schweif entwickelt, wie groß die Staubteilchen sind, die mitgerissen werden, und wie viel Staub wieder zurückfällt.

Urfragen der Menschheit

Dabei geht es um viel mehr als nur um Kometenforschung. Die Planeten des Sonnensystems sind aus Weltraumstaub entstanden. Staub, wie ihn die Kometen noch immer hinter sich herziehen. Einen Kometen zu untersuchen, bedeutet deshalb, einen Blick auf die Anfänge des Sonnensystems zu erhaschen. Die Fragen, die die Forscher bewegen: Wie entstanden unsere Ozeane? Ist das Wasser über Kometen gekommen oder durch Vulkanismus aus dem Inneren der Erde? Haben sich die relevanten Moleküle zur Entstehung des Lebens auf der Erde gebildet oder kamen sie von außen?

Das zu klären, bringt erst einmal keine konkreten Vorteile. "Ich will das nicht als eine Mission verkaufen, die in naher Zukunft Geld bringt", sagt Ulamec. Es gehe um die großen Fragen. "Woher kommen wir? Wo gehen wir hin? Es ist einfach ein Bestreben der Menschen, die Ursprünge zu erfahren und zu verstehen."

NeuEntdeckungen

Astronomen haben den bisher fernsten Planeten unseres Sonnensystems aufgespürt. Der Zwergplanet mit der vorläufigen Bezeichnung 2012 VP113 kommt der Sonne nie näher als rund zwölf Milliarden Kilometer, das entspricht der 80-fachen Entfernung der Erde von der Sonne. Chadwick Trujillo vom Gemini-Observatorium auf Hawaii und Scott Sheppard von der Carnegie Institution in Washington berichten darüber diese Woche im britischen Fachjournal "Nature". Der Fund legt aus Sicht der Forscher die Existenz eines weiteren Planeten im äußeren Teil unseres Systems nahe.

Eine weitere überraschende Neuentdeckung im äußeren Sonnensystem meldeten am Mittwoch die Europäische Südsternwarte und das Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung in Garching und Göttingen. Erstmals haben Astronomen einen Asteroiden mit einem Ringsystem beobachtet. Mit einem Durchmesser von nur 250 Kilometern ist der Asteroid "Chariklo" der bei weitem kleinste Himmelskörper, bei dem bisher ein Ringsystem gefunden wurde. Das Team unter Leitung von Felipe Braga-Ribas vom Observatorio Nacional im brasilianischen Rio de Janeiro veröffentlichte seine Resultate nun in "Nature Online".