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Erstes ranghohes Polit-Opfer im US-Folterskandal

Von Ines Scholz

Politik

Der Folterskandal hat sein erstes politisches Opfer gefordert: Wie das Pentagon nach einem kurzen Dementi zu Mittag schließlich bestätigte, wird der Oberkommandierende der US-Truppen im Irak, Ricardo Sanchez, im Sommer abgelöst.


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Der General war vor einigen Tagen von der "Washington Post" entlarvt worden, entgegen seinen Behauptungen vor dem US-Senat sehr wohl von den Misshandlungen in dem berüchtigten Gefängnis Abu Ghraib gewusst zu haben und bei einigen brutalen Verhören gar selbst dabei gewesen zu sein. Das Blatt berief sich dabei auf Aussagen eines Hauptmanns, der diese im Prozess gegen die angeklagten US-Militärpolizisten auch bezeugen will.

Dennoch wollte das US-Verteidigungsministerium gestern keinen Zusammenhang zwischen den Vorkommnissen in Abu Ghraib und Sanchez' Entfernung von seinem Posten herstellen. Dieser sei bereits seit 13 Monaten in Irak, seine Ablöse sei ein reiner "Routinevorgang". Als sein Nachfolger ist der stellvertretende Generalstabschef George Casey im Gespräch.

Wie schwer sich die US-Administration damit tut, auch hochrangige Militärs mit Konsequenzen aus dem Folterskandal zu konfrontieren, zeigt das gestrige Verwirrspiel um Sanchez' Ablöse. Zunächst hatte ein ranghoger Beamter im Pentagon diese publik gemacht, kurz darauf dementierte ein Sprecher von Verteidigungsminister Donald Rumsfeld mit den Worten, dies seien unverantwortliche Spekulationen. Wenige Stunde später kam dann die Bestätigung. Die Karriere des aus einer armen mexikanischen Einwandererfamilie abstammenden Texaners, der es im Land der unendlichen Möglichkeiten bis zum Drei-Sterne-Gneral geschafft hat, dürfte damit vorbei sein.

Monatelang war er als künftiger Kommandant des US-Südkommandos gehandelt worden, das für den lateinamerikanischen und karibischen Raum zuständig ist. Doch für den Posten müsste Sanchez vom Kongress bestätigt werden - neue Befragungen zu Abu Ghraib und seiner mutmaßlichen Rolle in dem Folterskandal wären die Folge. Es spricht einiges dafür, dass die US-Regierung sich diese Fragen lieber ersparen will.

Sanchez wird sich damit trösten müssen, dass unter seinem Oberkommando zwar Iraker gefoltert wurden, dass im Dezember des Vorjahres aber auch der frühere Machthaber Saddam Hussein in einem Erdloch aufgespürt werden konnte und, weil er sich des Folterzentrums ebenso gerne bedient hatte, vor Gericht kommen wird.