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Das Ereignis von Hunga Tonga hatte mehr als die tausendfache Energie der Hiroshima-Bombe im Jahr 1945.
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Als am 15. Januar 2022 der Vulkan Hunga Tonga-Hunga Ha’apai im Südpazifik in einer gewaltigen Eruption seine Aschewolke 58 Kilometer hoch in die Atmosphäre jagte, war das die heftigste natürliche Explosion, die je von der modernen Naturwissenschaft gemessen wurde. Setzte doch die letzte dieser Detonationen mit einer Sprengkraft von bis zu 90 Megatonnen weit mehr als die tausendfache Energie der Atombombe frei, die am 15. August 1945 über Hiroshima in Japan zündete. Mit einem Vulkanexplosionsindex VEI von 6,3 war es seit dem Ausbruch des Krakatau 1883 in Indonesien eine der stärksten Eruption, die allenfalls 1991 vom Ausbruch des Pinatubo in Indonesien übertroffen wurde. Einen weiteren Superlativ für den Ausbruch des Hunga Tonga-Hunga Ha’apai liefert jetzt ein Team um Sam Purkis von der University of Miami in Florida in "Science Advances".
Nach diesen Modellrechnungen und Feldbeobachtungen hat die Eruption einen bis zu 45 Meter hohen Tsunami ausgelöst. Damit übertrafen die Monsterwellen dieser Eruption den Tsunami deutlich, der nach einem gewaltigen Seebeben am zweiten Weihnachtsfeiertag 2004 mit oft weniger als zehn, zum Teil aber auch mehr als zwanzig Meter hohen Wellen allein in Indonesien mehr als 170.000 und weltweit mehr als 230.000 Menschen das Leben kostete. Im Pazifikstaat Tonga, dessen Hauptinsel 64 Kilometer südlich des Hunga Tonga-Hunga Ha’apai-Ausbruchs liegt, starben dagegen im Januar 2022 nur vier Menschen. "Beide Ereignisse waren allerdings sehr unterschiedlich", erklärt Andrey Babeyko. Der Wissenschafter analysiert am Deutschen GeoForschungsZentrum GFZ in Potsdam Gefährdungen durch Tsunamis, war an der Studie der Gruppe um Sam Purkis aber nicht beteiligt.
Ursache des Mega-Tsunamis Ende 2004 im Indischen Ozean war ein Erdbeben, bei dem auf einer Länge von hunderten Kilometern eine Erdplatte durchschnittlich 15 Meter nach Südwesten und gleichzeitig um bis zu zehn Meter in die Höhe schnappte. Das darüber stehende Wasser wurde ebenfalls angehoben, die entstehende Welle raste mit der Geschwindigkeit eines Verkehrsflugzeugs durch das Meer. Die darin steckende Energie türmte in flachen Küstengewässern die ursprünglich kaum einen Meter hohe Welle viel höher auf, ließ das Wasser sehr lange und weit auf flache Küsten strömen und zerstörte so das Hab und Gut der dort lebenden Menschen, von denen viele in den Fluten starben.
Wellen schwächten sich ab
"Der vom Vulkan-Ausbruch bei den Tonga-Inseln ausgelöste Tsunami war dagegen nur ein lokales Ereignis", sagt Babeyko. Dort wurde das Wasser über dem Vulkan, der unter dem Meeresspiegel liegt, zwar ebenfalls kräftig angehoben. Dieser Krater aber hat einen Durchmesser von gerade einmal fünf Kilometern. Es wurde also viel weniger Wasser in die Höhe gedrückt und die anfangs sehr hohen Tsunami-Wellen schwächten sich bei ihrer Ausbreitung im Pazifik sehr schnell ab. Ganz anders aber war die Situation im Inselstaat Tonga in der unmittelbaren Nachbarschaft des Ausbruchs. Mit Hilfe der durch die Luftdruck-Wellen der Eruption zerbrochenen Fensterscheiben der Häuser auf den bewohnten Tonga-Inseln schätzte das Team um Sam Purkis zunächst die Explosionskraft des letzten und stärksten Ausbruchs am 15. Januar 2022 auf rund 15 Megatonnen. Mit einem eigenen Computermodell berechnete die Gruppe dann die entstandenen Tsunami-Wellen, die alles andere als einheitlich zur Küste liefen.
Enge Schluchten unter Wasser können dort die Energie konzentrieren, Landzungen können einen Tsunami ablenken. Schließlich liefern die Berechnungen ein kompliziertes Muster, in dem die Wellen sich in oft nahe beieinanderliegenden Küstenabschnitten völlig unterschiedlich verhalten können. Die Ergebnisse verglich das Team dann mit 118 Beobachtungen, wie hoch die Wellen tatsächlich an der Küste aufgelaufen waren und mit Werten aus zwei Messstationen in der Hauptstadt der Tonga-Inseln, die das Auf und Ab des Meeresspiegels gemessen hatten. "Modelle und Realität stimmten meist gut überein", so Babeyko. Das gilt etwa für die glücklicherweise unbewohnte Insel Tofua, an deren Küste die Modelle eine Wellenhöhe von 45 Metern errechneten, die von Satellitenmessungen bestätigt wurden. "Allerdings traf der Tsunami dort auf eine fast senkrechte Klippe, an der Wasser viel weiter als an einer flachen Küste hochsteigen kann", relativiert der Forscher.
Riffe schluckten die Energie
Als in der Lituya-Bay im Glacier-Bay-Nationalpark Alaskas am 9. Juli 1958 ein Erdbeben einen Erdrutsch auslöste, bei dem 90 Millionen Tonnen Gestein und Eis ins Wasser stürzten, rissen die Wellen des entstandenen Tsunamis am steilen Ufer der Bucht noch 520 Meter über dem Wasser Bäume weg. Ganz anders als an solchen Klippenküsten beeinflussen Riffe die Monsterwellen, sie können unter Umständen einen erheblichen Teil der Energie schlucken. So hätten die Korallenriffe die Hauptstadt der Tonga-Inseln vor den schlimmsten Folgen gerettet. Während sich die Wellen auf der dem Vulkan zugewandten Seite 18 Meter hoch auftürmten, waren sie in der dahinter liegenden Lagune nur noch drei Meter hoch und erreichten an den Messstationen in der auf der anderen Seite der Bucht liegenden Hauptstadt Nuku‘alofa nicht einmal mehr zwei Meter Höhe. Die allermeisten der 35.000 Einwohner dieses Ortes hatten noch einmal Glück gehabt.