In Österreichs Gastronomiebetrieben laufen die Vorbereitungen für die Öffnungen am Mittwoch auf Hochtouren. Die Vorfreude überwiegt, trotzdem blicken die Gastronomen mit gemischten Gefühlen auf die kommenden Wochen.
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Wer bei Schönwetter durch die Mariahilfer Straße spaziert, kann die Pandemie schon einmal vergessen. Viel Gewusel, lange Schlangen vor einzelnen Geschäften und gestresste Angestellte. Nur die Gastronomie ist abgesehen von "to go"-Angeboten geschlossen - aber nicht mehr lange. Von außen wirken viele Cafés, Bars und Restaurants noch ausgestorben und leer. Ein Blick in die Gasträume zeigt aber, dass die Vorbereitungen für die Wiedereröffnung am Mittwoch bereits in vollem Gange sind.
Sascha Schlesinger, der Chef des traditionsreichen Café Westend, sitzt im leeren Gastraum, hinter der Theke wird währenddessen geputzt und in allen Winkeln für die Öffnung gearbeitet. "Ich schätze, dass der Andrang sehr groß sein wird, weil die Leute wieder raus wollen - wieder ins Kaffeehaus gehen, schauen und miteinander kommunizieren", sagt er. "Etwas Sorge haben wir aber schon, dass es wieder nachlässt und die Testbereitschaft sinkt." Außerdem sei das Café sehr abhängig von den Touristen in der Stadt. Nach mehr als einem halben Jahr kompletter Schließung muss vor Mittwoch noch viel erledigt werden: "Wir putzen seit einer Woche, richten her und denken darüber nach, wie wir die Abstände einhalten können. Das Lokal war sechs Monate zu - es ist alles dreckig."
Ein Frühjahrsputz findet auch im Café Hummel in der Josefstädter Straße statt. "Es ist alles brach gelegen. Wir müssen den Einkauf regeln, Fenster putzen, die Schankanlage aktivieren, Zeitungen wieder bestellen und vieles mehr. Das Aufwendigste ist aber das Sauberkriegen", sagt Geschäftsführerin Christina Hummel. Trotz funktionierenden Konzepts für das Abholen von Speisen und Getränken seit November müsse im Café alles wieder hochgefahren werden. "Es fühlt sich an wie ein siebenmonatiger Dornröschenschlaf, aus dem wir wieder erwachen", sagt sie.
Sowohl die 29 Angestellten, als auch die Gäste konnten es nicht mehr erwarten, wie die zahlreichen Reservierungen für die ersten Tage zeigen. Trotzdem bleibt Hummel realistisch: "Es rechnet sich wirtschaftlich schon lange nicht mehr. Es ist ein dauerhafter Versuch, sich über Wasser zu halten, und das wird, glaube ich, noch länger so sein. Denn je mehr ich meine Mitarbeiter einsetze, desto weniger Förderungen gibt es." Sie appelliert an Kanzler Kurz und Arbeitsminister Kocher, eine gute Übergangslösung auszuarbeiten.
Die Gastronomen müssen nun auch in recht kurzer Zeit wieder Personal zurückholen - aus der Kurzarbeit wie aus der Arbeitslosigkeit. Nicht überall haben die beschäftigungslosen Köchinnen und Kellner gewartet. Dann braucht es neues Personal. Hinzu kommt: Ein substanzieller Teil der Beschäftigen in der Gastronomie kommt aus dem Ausland. Einige Branchenvertreter beklagen bereits einen Personalmangel. AMS-Chef Johannes Kopf widerspricht und verweist darauf, dass im April mehr als 10.000 Köche und Küchengehilfen arbeitslos gemeldet waren, ebenso mehr als 12.000 Kellnerinnen und Kellner. Mehr als doppelt so viele wie im April 2019 - vor der Corona-Krise.
Reservierungen für die ersten Öffnungstage
Im Herzen der Inneren Stadt führt Marianne Kohn die Loosbar - auch hier ist man bereit, die Kundschaft wieder vor Ort zu bedienen. "Es ist eine große Freude, wir haben schon viele Reservierungen für den 19. Mai", sagt Kohn. Auf nur 25 Quadratmetern Innenfläche dürfe man etwa zehn Personen begrüßen, daher ist sie besonders froh über den Gastgarten: "Ich glaube, es werden viele nicht aufsperren, die keinen Garten haben, weil es sich drinnen nicht auszahlen wird." Während die Chefin die Zahlen im Blick hat, freut sich Kellner Victor dos Santos einfach wieder darauf, Gäste zu begrüßen. Seit Februar habe er zwar Getränke für Take-away-Kunden gemixt, das sei aber nicht dasselbe: "Wir freuen uns wirklich, wieder Tabletts tragen zu dürfen und die Gäste am Tisch zu bedienen." Das Pandemiejahr brachte also einige Neuerungen - neben der Entwicklung von "to go"-Konzepten in Bars und Essenslieferungen von Restaurants nutzten viele auch die Zeit, um zu renovieren und längst überfällige Erneuerungsarbeiten an technischen Anlagen zu machen.
Investitionsboom in Tourismus und Gastronomie
Das Vorjahr, geprägt von geschlossenen Gastronomiebetrieben und Hotels, wurde laut Wolfgang Kleemann, Generaldirektor der Österreichischen Hotel- und Tourismusbank, von vielen Betrieben für Investitionen genutzt. Kleemann spricht davon, dass im Wesentlichen in drei Bereiche investiert wurde: "Das erste sind die Erneuerungen der technischen Anlagen, also beispielsweise neue Gewerbekaffeemaschinen oder Kühlhäuser. Diese Geräte werden durch das lange Abschalten kaputt und mussten ersetzt werden. Ein großer, zweiter Punkt ist die bauliche Distanzschaffung zwischen den einzelnen Gästetischen, um die Zwei-Meter-Abstände einhalten zu können. Der dritte Bereich sind die Außenbereiche der Betriebe - also die Gastgärten."
Für diese gibt es seit 30. April die sogenannte "Gastgärtenoffensive" für Betriebe, bei der maximal 20 Prozent der förderbaren Kosten übernommen werden. Gefördert werden alle Investitionen, die in Erweiterung oder Verbesserung der Gastgärten gesetzt werden. "Das mit zehn Millionen Euro vorgesehene Budget ist so gut wie ausgeschöpft, damit wurden mehr als 50 Millionen Euro in die Outdoor-Bereiche von Gastronomiebetrieben investiert," sagt Kleemann. Wer also in der Krise eine Chance sucht, wird mit einem Blick auf die Gastro- und Beherbergungsbetriebe fündig: Viele haben die Zeit gut genützt.
Trotz vieler Förderangebote war das vergangene Jahr aber schwer zu überbrücken: Das Café Hollywood in Ottakring hatte durchgehend geöffnet, ohne Stammkunden hätten sie die Krise nicht überstanden. "Ohne sie hätten wir zusperren können. Die Kunden kommen aus allen Bezirken gezielt zu uns und haben viel bestellt", erzählt Luka Zecevic, der Juniorchef des Familienbetriebs, der sich auf Balkanküche spezialisiert hat. Manchmal seien es so viele Gäste gewesen, dass der Andrang zu einem Polizeieinsatz geführt hätte.
Zecevic zeigt sich den Gästen gegenüber, die dem Grätzlcafé die Treue gehalten haben, sehr dankbar. Denn er kennt viele, die es nicht durch die Krise geschafft haben. Der Inhaber erzählt etwa von einer befreundeten Gastronomin, die in ihrem noch recht jungen Lokal keine Stammkunden begrüßen konnte und daher schließen musste.
Die Gastronomiebetriebe sind trotz kurzer Vorbereitungszeit also bereit, ihre Gäste wieder zu bewirten. Trotzdem ist die Ungewissheit stets im Hinterkopf, wie Sascha Schlesinger vom Café Westend sagt: "Wir werden vorsichtig wirtschaften und die Öffnungszeiten anpassen, aber wir sperren auf jeden Fall auf." In Summe bleibt der Tenor in der Branche also hoffnungsvoll - vor allem mit Hoffnung darauf, nicht bald wieder zusperren zu müssen.