Die Liste der Kommissare, die die neuen Mitgliedstaaten ab 1. Mai nach Brüssel entsenden möchten, ist komplett. Unterdessen hat die irische EU-Ratspräsidentschaft mit der Suche nach einem neuen Kommissionspräsidenten begonnen, der von allen 25 Regierungen politisch mitgetragen werden kann.
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Auf die Nominierungen folgen die Sondierungen. Kommissionspräsident Romano Prodi empfängt seit der Vorwoche laufend die designierten Neo-Kommissare, um deren Ressortzuteilung auszuloten.
Estland möchte den früheren Regierungschef Siim Kallas als ersten EU-Kommissar nach Brüssel entsenden. Lettland hat Außenministerin Sandra Kalniete genannt, Litauen Finanzminister Dalniete Grybauskaite. Malta hat Außenminister Joe Borg kandidiert und Polen - wenig überraschend - die überzeugende Europaministerin Danuta Hübner. Die slowakische Regierung hat sich auf den früheren EU-Chefverhandler Jan Figel verständigt, aus Slowenien soll Europaminister Janez Potocnik in die Kommission nach Brüssel gehen. Die Kandidaten von Tschechien und Ungarn sind Ex-Umweltminister Milos Kuzvart bzw. Peter Balázs, derzeit EU-Botschafter. Zypern entsendet Finanzminister Markos Kiprianu. Die Staats- und Regierungschefs sollen beim Europäischen Rat am 25. März in Brüssel ihren Sanktus zur Kandidatenliste geben. Mitte April müssen sich die nominierten Kommissare der neuen EU-Länder den Europa-Parlamentariern stellen.
Vorläufige Zuteilung
Ab 1. Mai werden sie dann den bisherigen Kommissaren assistierend - ohne eigenes Fachgebiet, aber mit Stimmrecht - zur Seite gestellt. Das hat einerseits den praktischen Grund, dass die Neo-Kommissare so ihr Handwerk lernen können. Andererseits gibt es erst mit Beginn der Amtsperiode am 1. November in der Kommission eine Neuverteilung der Ressorts. Diese obliegt dem neuen Kommissionschef. Er muss auch nicht unbedingt alle alten Kommissare übernehmen. Vorläufig soll die designierte polnische Kandidatin Hübner etwa bei Handelskommissar Pascal Lamy mitarbeiten, hieß es. Der ungarische Kandidat Balázs stößt nach eigenen Angaben zu Regionenkommissar Michel Barnier.
Steigt also die Zahl der Kommissare mit der Erweiterung vorübergehend auf 30, wird die Mitgliederanzahl des nachfolgenden Kollegiums auf 25 reduziert. Eine deutliche personelle Erneuerung wird es dabei auch deshalb geben, weil die Mehrzahl der jetzigen Kommissare aus dem Amt scheiden dürften: Neben Präsident Romano Prodi auch Neil Kinnock (Reform), Loyola de Palacio (Verkehr und Energie), Anna Diamantopoulou (Soziales), Franz Fischler (Landwirtschaft), Erkki Liikanen (Unternehmen), Poul Nielson (Entwicklungshilfe), Chris Patten (Außenpolitik), Pedro Solbes (Wirtschaft), Mario Monti (Wettbewerb), Michaele Schreyer (Haushalt) und Lamy.
Wer neuer Kommissionspräsident wird, ist noch völlig offen. Es verdichten sich jedoch die Anzeichen, dass Justizkommissar Vitorino aufsteigen könnte. Der Portugiese gilt als einer der brillantesten und intellektuell fähigsten Kommissare. Vergangene Woche wurde der gemäßigte Sozialist vom christdemokratischen portugiesischen Premier Jose Manuel Durão Barroso der irischen EU-Präsidentschaft als Prodi-Nachfolger vorgeschlagen. Doch eine Kandidatur Vitorinos könnte am Widerstand der EVP im EU-Parlament scheitern. Sollte sie bei den Wahlen im Juni wieder stärkste Fraktion werden, möchte die EVP den Kommissionschef stellen.