Zum Hauptinhalt springen

Erweiterung am Gipfel Tabuthema

Von Wolfgang Tucek, Luxemburg

Europaarchiv

Im Schatten der Verfassungskrise haben die EU-Außenminister gestern, Montag, ihr Engagement für die Erweiterung auf ein Minimum beschränkt. Bereits Beschlossenes bleibt aber bestehen - wie der 3. Oktober als Termin für den Verhandlungsbeginn mit der Türkei. Beim Kampf um den künftigen Finanzrahmen scheinen sich die Fronten vor allem zwischen Großbritannien und Frankreich zu verhärten.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 19 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Nur einen Satz zum Thema Erweiterung soll die Schlusserklärung der Staats- und Regierungschefs beim Gipfel am 16. und 17. Juni enthalten. Darin wird auf die "Notwendigkeit der Erweiterung" gemäß den Schlussfolgerungen des Gremiums vom Dezember 2004 verwiesen. Diese seien "uneingeschränkt umzusetzen". Einstimmig wurden damals der Fahrplan für Bulgarien und Rumänien, das Prozedere für Kroatien und eben der 3. Oktober für die Türkei entschieden.

"Die Beschlusslage ist eindeutig", bestätigte auch die österreichische Außenministerin Ursula Plassnik. Allerdings habe "dieses Datum nichts mit dem Beitritt zu tun", stellte sie mit Blick auf Finanzminister Karl-Heinz Grasser fest. Dieser hatte sich am Wochenende gegen einen Beitritt der Türkei ausgesprochen. Es gehe lediglich um den Beginn eines "Verhandlungsprozesses mit offenem Ende", zitierte Plassnik die Schlusserklärung.

Dem Beginn ist Ankara einen wesentlichen Schritt näher gekommen. Die EU-Minister haben den rechtlichen Rahmen für die Unterzeichnung des Zusatzabkommens zum Ankara-Protokoll durchgewunken. Damit wird die Türkei ihre Zollunion auf die zehn neuen EU-Staaten ausweiten und so Zypern de facto anerkennen. Dem Vernehmen nach könnte Ankara schon nächste Woche unterschreiben - als Signal für die Außenminister. Diese stimmen am 18. Juli über den Verhandlungsrahmen ab.

Doch selbst langjährige Beobachter können sich nicht erinnern, dass die Erweiterung jemals dermaßen mit Fingerspitzen angefasst worden wäre. Im EU-Parlament wird bereits mit einer Verschiebung des Beitrittstermins für Bulgarien und Rumänien auf 2008 gerechnet. Die Bedingungen dafür müssen "bis auf den letzten Buchstaben erfüllt" werden, erklärte auch Erweiterungskommissar Olli Rehn. Und Kroatien muss zumindest drei bis vier Monate auf das Urteil von UN-Chefanklägerin Carla Del Ponte für seinen Verhandlungsbeginn warten.

Briten wollen Agrarkürzung

Der britische Premier Tony Blair hat unterdessen deutlich gemacht, dass es einen Kompromiss über den Beitragsrabatt nicht billig geben wird. Einen Tag vor seinem Finanzgespräch mit EU-Ratsvorsitzendem Jean-Claude Juncker forderte er erneut umfassende Kürzungen der EU-Agrarhilfen. Eine direkte Konfrontation mit deren Hauptnutznießer Frankreich zeichnet sich ab. Am Vorabend hatte es beim Sondertreffen der Außenminister "keine Annäherung" zu den Finanzen gegeben, teilte Plassnik mit. Der Brite Jack Straw sei mit seiner Forderung nach einem Aufschnüren des 2002 beschlossenen Pakets für Agrarförderungen bis 2013 "isoliert" gewesen.