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Manche würden sich wohl wünschen, dass der Zeitpunkt der Erweiterung der Europäischen Union quasi zum Jahrhundertprojekt in der Dauer wird. Gemeint aber ist damit vielmehr, dass die Bewältigung dieser Frage die Qualität Europas im 21. Jahrhundert bestimmen wird. Die Ausgangssituation ist klar: 1989 hat uns die Möglichkeit geschaffen, nicht nur die Ost-West-Teilung des Kontinents zu überwinden, sondern auch Europa wieder als Gesamtes zu betrachten. Diese Möglichkeit ist uns spätestens mit dem Ersten Weltkrieg verlorengegangen. Anzunehmen, dass diese Fragen quasi im Vorübergehen zu lösen sind, wäre ein verheerender Irrtum. Daher ist wohl eine der größten Schwierigkeiten im Umgang mit der politischen, wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Lösung dieser Frage die heutige Tendenz zur Kurzfristigkeit des Denkens.
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Wir erkennen heute ein Problem und wollen es womöglich morgen nicht nur gelöst, sondern auch schon vergessen haben. Dabei haben wir es mit Fragen zu tun, die sich in Jahrzehnten aufgebaut haben und in einer Zeit zu lösen sind, wo das Tempo der Entwicklung geradezu atemberaubend ist. Europäische Einigung kann nämlich nicht nur für sich gesehen werden, sondern muss auch mit den Elementen der Globalisierung fertig werden. Da geht es nicht nur um den europäischen Markt, sondern um eine weltweite Wettbewerbsordnung, die wir dringend brauchen. Der Nationalstaat muss seine Rolle finden, die zweifellos weniger bedeutend sein wird, wobei aber die Abgabe von Macht und die Entwicklung eines gemeinsamen Rechts ein Prozess ist, der seine Zeit braucht.
Nicht viel Zeit zu verlieren
Andererseits dürfen wir nicht zuviel Zeit verlieren, denn es zeigt sich ganz deutlich, dass wir eine endgültige Form der Stabilität für Europa noch nicht gefunden haben. Da ist nicht nur Südosteuropa gemeint oder alles das, was sich im Raum der ehemaligen Sowjetunion abspielt, sondern es zeigt sich auch ganz deutlich, dass klassische Zentralstaaten des Westens ihre liebe Not mit der ethnischen und kulturellen Vielfalt haben (Basken, Korsen, Nordirland, etc.) Wir sind auch im wahrsten Sinne des Wortes mobil geworden, nicht nur über die Möglichkeiten der Telekommunikation, sondern auch durch die Tatsache, dass es nicht nur eine innereuropäische, sondern eine globale Wanderung gibt, die in den Städten des Kontinents deutlich merkbar ist. Bei all diesen Fragen können wir uns nicht Zeit lassen, bis sie zu einer Lösung heranreifen, sondern neue Rahmen müssen gefunden werden, um die Bedingungen eines menschlichen Zusammenlebens zu garantieren.
Tagtägliche Umsetzung
Menschenrechte und Demokratie sind eben nicht nur Bestandteile von Sonntagsreden, sondern bedürfen der tagtäglichen Umsetzung. Manche entwickeln Furcht vor diesem Projekt, weil die gewohnten Bedingungen verändert werden. Dem kann man aber nicht entrinnen, denn diese Wandlungen finden so oder so statt. Eine junge Generation aber kann das als eine große Herausforderung begreifen, sich ein Europa zu gestalten, das es bisher noch nie gegeben hat. Alle Vergleiche mit großen Reichen der Vergangenheit sind einfach daneben, weil der Zusammenschluss des Kontinents auf freiwilliger Basis durch Beschluss von demokratisch etablierten Regierungen, von Parlamenten und im Wege von Referenden stattfindet. Frühere Machtkonzentrationen kamen durch brutale Ausübung von Gewalt zustande, was insofern nicht mehr zeitgemäß wäre, als kontinentale Zusammenschlüsse auch der Notwendigkeit des globalen Wettbewerbs entsprechen. All das will gelernt sein, genauso wie die Gleichwertigkeit verschiedener Kulturen, die uns zwar ganz selbstverständlich begleitet, wenn wir die Vielfalt der Restaurants aus allen Ecken der Welt in unseren Städten beobachten. Schwieriger wird es schon im Bereich der Sprache, komplexer bei den Religionen und oft gar scheinbar unmöglich in Fragen der täglichen Toleranz. Die Größe des historischen Prozesses muss uns bewusst sein, da wir ansonsten den Mut verlieren, auch auf eine positive Lösung der anstehenden Probleme zu hoffen.
Was sind nun die Fragen? Sie sind zweifellos differenziert zu sehen und zwar zunächst hinsichtlich des Zustandes der Beitrittskandidaten, der notwendigen Veränderungen der Europäischen Union, der Aufgaben, denen sich Österreich stellen muss, sowie die endgültige Formation Europas.
Der Zustand der Kandidaten
Bei den Beitrittskandidaten beginnt die Diskussion schon damit, dass sie einen unterschiedlichen Reifezustand haben. Alle sind sie inmitten des Prozesses der Transformation, um aus einer zentralen Planungswirtschaft und einer kommunistischen Vergangenheit sich in eine jener politisch und wirtschaftliche Ordnung zu entwickeln, die allgemeiner Standard in der Europäischen Union ist. Sehr unterschiedlich ist der Status, der bisher erreicht werden konnte, wobei mit Interesse zu bemerken ist, dass meistens jene Länder fortgeschritten sind, die an EU-Staaten angrenzen. Es handelt sich also um einen osmotischen Prozess, der innerhalb der Länder auch unterschiedliche Niveaus erzeugt. So ist etwa Westungarn weiterentwickelt als Ost-Ungarn und ganz selbstverständlich ist das Gefälle zwischen Polen und Rumänien beträchtlich.
Gleichzeitigkeit
Die Erwartungen dieser Länder gegenüber der EU sind aber auf Gleichzeitigkeit der Aufnahme ausgerichtet, denn innerhalb einer kurzen Zeit haben sie ihre Veränderungen durchgeführt, aber unterschiedliche Geschwindigkeiten entwickelt, mit der Vergangenheit fertig zu werden. Positiv muss vermerkt werden, dass es eine Fülle von Regierungswechseln in diesen Ländern gab, niemand aber daran dachte, ein totalitäres System wieder zu etablieren. Die sozialen Opfer sind beträchtlich, die dabei gebracht werden mussten, denn die Umstellung auf das Marktsystem betrifft auch Gruppen, die in den Schatten der Gesellschaft geschoben werden wie Pensionisten, Arbeiter der längst nicht mehr rentablen Bergwerke und Industrien sowie Lehrer und Wissenschafter. Wir tun uns oft sehr leicht mit einem abschätzigen Urteil und vergessen dabei, dass auch wir nach dem Zweiten Weltkrieg Jahrzehnte gebraucht haben, um unsere heutigen Standards zu erzielen.
Die Erfolge aber sind beträchtlich, wenngleich uns die Mangelerscheinungen mehr bewusst sind. Wir wissen um die Probleme der polnischen Landwirtschaft und Industrie, wir kritisieren die tschechische Bankenstruktur und die Schwächen der Privatisierung, wir werfen den Slowenen ein zu nationalistisches Denken im wirtschaftlichen Bereich vor, wobei diese Argumente jeweils für alle Länder in den Medien ständig reproduziert werden. Dazu kommt noch eine neue Entwicklung der Kriminalität (Menschenhandel, Drogen, Waffen), bei der allerdings die Drahtzieher meistens im Westen sitzen und auch gut daran verdienen.
Gleiche Chance für alle
Eine noch nicht stabilisierte Verwaltung und ein oft durch Politik und geringe Gehälter korrumpierter Polizeiapparat sind noch nicht in der Lage, mit diesen Phänomenen fertig zu werden, wobei sie in dieser Größe auch für uns neu auftreten. Auf dem Gipfel von Helsinki wurde zwar beschlossen, dass alle Beitrittskandidaten (Polen, Tschechische Republik, Slowakei, Ungarn, Slowenien, Rumänien, Bulgarien, die baltischen Staaten sowie Zypern und Malta und die Türkei) eine gleiche Chance haben sollen, dennoch aber wird sich eine erste Gruppe herausbilden, die reif für den Beitritt sein wird. Wer es unter diesen Gesichtspunkten schafft, ist heute schwer zu sagen, denn jedes Land hat seine spezifischen Probleme und ist keineswegs in einen Topf zu werden.
Die Agenda 2000 hat ambitionierte Programme entwickelt, um den Ländern in diesem Prozess zu helfen, der allerdings oft angekündigte Marshallplan ist keineswegs noch daraus geworden. Es muss auch einmal deutlich gesagt werden, dass etwa Österreich eine enorme Steigerung der Exporte in diese Länder gut an der Ostöffnung verdient hat - und zwar mehr als wir zur Transformation selbst finanziell beigetragen haben. Selbst die österreichische Landwirtschaft hat in diese ehemals agrarisch orientierte Länder in den meisten Fällen mehr exportiert, so dass für länger Zeit die Sorge, dass uns die Importe aus den Beitrittsländer agrarisch erdrücken könnten, völlig unberechtigt ist. Dass es eine besondere Herausforderung für Österreich ist, ergibt sich schon dadurch, dass eine beträchtliche Zahl der Beitrittskandidaten entweder direkte Nachbarn sind (Tschechische Republik, Slowakei, Ungarn, Slowenien), oder in geringer Distanz beheimatet sind (Polen, Rumänien, Bulgarien, Kroatien).
Es ist wohl klar, dass ein solcher quantitativer Sprung der Zahl der Mitgliedsländer der Europäischen Union auch qualitative Auswirkungen hat. Längst ist unbestritten, dass die Einrichtungen der EU und ihre Arbeitstechnik nicht mehr den heutigen Anforderungen entsprechen.
Ist die EU vorbereitet?
Die Zahl der Mitglieder ist von den ursprünglichen sechs auf fünfzehn gewachsen, die EU selbst wird als handelnde politische Einheit verstanden, ist aber infolge der komplizierten Mechanismen zwischen Kommission, Rat und Parlament kaum je dazu in der Lage. Der oft zitierte Satz: "The EU is a global payer but not a global player." ist wohl heute selbst nach der Einführung eines Mister GASP (Xavier Solana) noch richtig. Die US-Regierung ist in den schwächsten Phasen immer noch handlungsfähiger als es heute die Europäer nach wie vor sind. Wir sind gegenwärtig in der Phase, in der Vorbereitung auf den EU-Gipfel in Nizza Dezember 2000 die Entscheidungsmechanismen der EU neu zu gestalten. Was soll beim Einstimmigkeitsprinzip bleiben, wo soll Mehrheitsbildung möglich sein, was ist Zuständigkeit der europäischen Ebene, der nationalen sowie der regionalen Verantwortung? Es sieht nicht aus, dass wir intern bald eine Einigung finden werden. Zu kontrovers sind die Interessen. Gleichzeitig aber hat sich eine Diskussion entwickelt, die einerseits Vorzüge haben kann, aber auch in sich Gefahren birgt. Von einer "Achse" Paris-Berlin ist die Rede, von einem "Direktorium" und ähnlichen Einrichtungen, die zwar mehr Flexibilität erzeugen können, aber auch dazu führen, verschiedene Kategorien von Mitglieder zu erzeugen. Die Sorge kleinerer Staaten, an den Rand geschoben zu werden, ist daher mehr als berechtigt. Österreich muss sich von der Sanktionsdiskussion lösen und eine Gegenstimme in diesen Fragen nicht als Mittel verstehen, die Maßnahmen der EU-14 aufzuheben, sondern wohlüberlegt seine eigenen Interessen zu wahren. Dabei darf durchaus von unserer Seite mitgedacht werden, dass unter den Beitrittskandidaten viele sind, die nicht nur in der gleichen Region zu Hause sind, sondern eine ähnliche Größe haben und nicht zuletzt durch eine gemeinsame historische Erfahrung geprägt sind. Diese für die Zukunft zu gewinnen, ist nicht nur für die Positionierung Österreichs notwendig, sondern vor allem auch um die Probleme Europas in unserem Raum gemeinsam zu beantworten.
Nationalistische Strömungen
Ein Wort zur Welle nationalistischer Strömungen in Europa ist zweifellos auch noch notwendig: Der Prozess der europäischen Integration hat es offensichtlich versäumt, in die Herzen der Menschen zu dringen. Kompensatorisch nicht nur zur Globalisierung, sondern auch zu einer oft nicht sensiblen Bürokratie hat man es verabsäumt, die in Sonntagsreden oft beschworene Vielfalt Europas wirklich mit Leben zu erfüllen. Eine Lösung dieses Problems im Europa der heutigen EU ist deswegen schon notwendig, um der sich multiplizierenden Vielfalt der Beitrittskandidaten, bei denen die Minderheitenfrage eine mindestens ebenso große Rolle spielt, zu bewältigen. Vorgangsweisen wie sie mit den Maßnahmen der EU-14 gegenüber Österreich gewählt wurden, sind nicht nur nicht zielführend, sondern kontraproduktiv.
Österreichs spezifische Rolle
Österreich hat zweifellos besondere Fragestellungen in diesem Beitrittsprozess zu lösen. Zum einen ist es die in der Öffentlichkeit oft genannte Freizügigkeit, wobei die Gefahren dabei maßlos übertrieben werden. Damit sollen nicht die Probleme geleugnet werden, sondern einem rationalen Beurteilungsprozess zugeführt sein. Wenn etwa heute mehr Österreicher in Slowenien als Slowenen in Österreich arbeiten, ist nicht damit zu rechnen, dass wir von diesem südlichen Nachbarland überflutet werden. Ostungarn sind trotz des höheren Lohnniveaus in Westungarn nicht bereit dorthin zu wandern, warum sollen sie die österreichische Grenze überschreiten und eine andere Sprache lernen? Zweifellos gibt es das Problem der Tagespendler aus dem Raume Bratislava in die Ostregion, ebenso sind schon in den 80er-Jahren schon viele Polen gekommen. Es muss aber in einem bilateralen Verhältnis genau untersucht werden, wo wirklich Mobilität stattfindet, wo sie eine Gefahr bedeutet oder nicht doch auch für uns notwendig ist. Die Tatsache, dass wir eine Zuwanderung von 20.000 Personen im Jahr brauchen, um unser Sozialversicherungssystem aufrecht zu erhalten, spricht eine deutliche Sprache. Natürlich müssen wir auch interessiert sein, die Umweltstandards in der Nachbarschaft auf die Höhe der EU zu bringen.
Besonderes Kapitel AKW
Dazu wird Hilfe notwendig sein, vor allem auch die Erkenntnis, dass manche Probleme für die Regierungen dieser Länder drängender sind als diese Fragen, die für uns in den letzten Jahrzehnten an Bedeutung gestiegen sind. Ein besonderes Kapitel stellen die Atomkraftwerke dar, wobei man endlich zur Kenntnis nehmen muss, dass die EU selbst im "acquis communautaire" - also in den bisher erreichten gemeinsamen Regelungen - keine bindenden Vorschriften kennt. Wenn sich Österreich für europäische Sicherheitsstandards einsetzt, ist das wohl aus Gründen der Nachbarschaft mehr als verständlich. Wir werden aber kaum Freunde dafür finden, den Beitritt eines Landes wegen eines Atomkraftwerkes prinzipiell zu blockieren, wenn die meisten der EU-Mitgliedsländer selbst Atomkraftwerke haben. Von besonderer Wichtigkeit scheinen auch die Verkehrsprobleme, wobei jetzt schon der Ost-West-Verkehr beträchtlich zugenommen hat. Leider verfügen weder die EU noch Österreich über eine konsistente Verkehrspolitik, wobei auf unserer Seite ein jeweils vernünftiger Anschluss an die Beitrittskandidaten durch Bahn und Straße in den vergangenen zehn Jahren leider nicht entwickelt wurde. Es muss daher ein gemeinsames Interesse sein, in entsprechender Zeit Lösungen für diese Probleme zu finden. Daneben bestehen sicher auch eine Reihe von bilateralen Fragen, die an sich nicht Bedingung für die Aufnahme eines Landes sein können, aber im Zuge der Verhandlungen zu lösen sind oder wenigstens prozessual auf den Weg gebracht werden müssen. Dazu zählen die Benes-Dekrete, das Denationalisierungsgesetz in Slowenien und eine Reihe von anderen offenen Problemen. Es wäre besser, weniger aufgeregt in der Öffentlichkeit darüber zu reden, als vielmehr am Verhandlungstisch zu sitzen und praktikable Lösungen zu erzielen.
Perspektive Europa
Sicher sind noch eine Reihe von Fragen zu erwähnen, die aus dem besonderen Charakter einzelner Beitrittskandidaten kommen. So ist die Kandidatur der Türkei eine ganz entscheidende Frage, ob es gelingt, den säkularen Staat an dieser wichtigen Ecke Europas weiter zu entwickeln und Demokratie, Menschenrechte und europäische Standards zu sichern. Damit ist aber eine prinzipielle Frage berührt, nämlich wie weit Europa reichen soll. Von der Theorie her wird hier wenig Hilfe zu erwarten sein, es ist vielmehr ein praktischer Prozess, der sich damit auseinandersetzen muss, was etwa die Ukraine und Weißrussland sowie alle anderen Länder Südosteuropas, die noch nicht Kandidaten sind, für unsere gemeinsame Entwicklung bedeuten. Alles das kann aber nur in einer europäischen Öffentlichkeit diskutiert werden, die bis heute nicht existiert. Ebenso müssen die demokratischen Standards der Europäischen Union weiterentwickelt werden. Ein lang dienender Europäer, Lord Ralph Dahrendorf, selbst einmal als Kommissär in die Europäischen Gemeinschaft von Deutschland entsandt, meinte ironisch, dass die EU die Demokratiebedingungen nicht erfülle, sollte sie Mitglied der EU werden wollen. Das ist nicht nur ein sarkastisches, sondern auch ein ernstzunehmendes Wort. Mit der jetzigen größten Erweiterung der EU in ihrer Geschichte sind wir an jenen Punkt gelangt, wo wir auch geistig und kulturell lernen müssen, Europäer zu werden. Die von Österreich eingeforderten europäischen Werte sind generell nicht klar ausdiskutiert, ja eigentlich hat die Auseinandersetzung darüber überhaupt noch nicht begonnen.
Auch Sache der Bürger
Es muss auch begriffen werden, dass Europa nicht nur allein eine Angelegenheit von Staatsoberhäuptern und Regierungschefs ist, sondern auch eine Sache, die den Bürger angeht. Max Frisch verdanken wir das Wort: Bürgersein heißt, sich in seine eigenen Angelegenheiten einmischen. Angesichts der Tatsache, dass heute mehr als die Hälfte der politischen Entscheidungen, die etwa für Österreich von Relevanz sind, auf europäischer Ebene getroffen werden, verlangt diese Einmischung. Die oft bedauerliche Entwicklung, dass ein gewisser Provinzialismus sich breit macht, weil einem offensichtlich die europäischen Probleme zu kompliziert sind, kann keine Antwort sein. Europäer sein bedeutet heute eine Anstrengung, aber eine, der man kaum ausweichen kann. Es wird Zeit, dass auch Österreich mit seinem Nabelbeschau aufhört, sich selbst nicht mehr als Opfer fühlt, sondern zu einem kräftigen Täter in Richtung Europa wird.