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Auf seiner letzten Tagung in Kopenhagen hat der Europäische Rat hat grünes Licht für die Aufnahme von zehn weiteren Staaten in die Union zum 1. Mai 2004 gegeben. Zwei Jahre zuvor, im Dezember 2000, hatten sich die Staats- und Regierungschefs auf ihrem Gipfel von Nizza auf eine Änderung der EU-Verträge verständigt. Da die dort vereinbarten institutionellen Reformen nicht weit genug gingen, um die Union auf die bislang größte Erweiterungsrunde vorzubereiten, einigte sich der Europäische Rat von Laeken vor gut einem Jahr darauf, einen Konvent zur Zukunft der Europäischen Union einzuberufen. Er soll bis Mitte dieses Jahres einen Entwurf zur künftigen Gestalt der Union vorlegen. Konkret geht es um die Ausarbeitung eines europäischen Verfassungsentwurfes, der u.a. die Zuständigkeiten der Union präziser fasst, die Funktionsweise der Institutionen und deren Beschlussfassung verbessert sowie die EU-Verträge klarer und verständlicher macht.
Die Erweiterung der Union (um zunächst zehn Mitglieder und in absehbarer Zeit um eine Reihe weiterer Staaten) und die Arbeiten des EU-Konvents stehen in einem engen Zusammenhang. Der Konvent beschäftigt sich nämlich vornehmlich mit der Frage, wie eine erweiterte Union ihren wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt sowie ihre Handlungsfähigkeit erhalten bzw. verbessern kann. Dies ist eine unabdingbare Voraussetzung für eine Vertiefung der europäischen Integration, wie sie von den Bürgern Europas befürwortet wird und wie sie auch zur Lösung vieler Probleme, bei denen die einzelnen Mitgliedstaaten überfordert sind, geboten ist. Ohne gleichzeitige Vertiefung würde die Erweiterung das derzeitige Gefüge der EU verzerren und überfordern. Erweiterung und Vertiefung der Europäischen Union sind somit gewissermaßen die beiden Seiten ein- und derselben Medaille.
Die Arbeiten des EU-Konvents gehen nunmehr in die entscheidende Phase. Dank seiner Zusammensetzung (die nationalen Parlamente stellen 56 Mitglieder, also mehr als die Hälfte des 105köpfigen Gremiums, das Europäische Parlament weitere 16. Ihnen stehen 28 Vertreter der nationalen Regierungen gegenüber. Die Kommission ist mit zwei Mitgliedern vertreten. Hinzu kommen noch der Vorsitzende und seine zwei Stellvertreter) und Transparenz bei der Behandlung der einzelnen Themen bietet der Konvent die einmalige Chance, die verschiedenen Schritte zu einer Vertiefung und Stärkung der Union in einem breiten Konsens zu entwickeln. Der Konvent und die anschließende Regierungskonferenz müssen die Fundamente einer politischen Union festigen. Die institutionelle Struktur der Union muss so weiterentwickelt werden, dass sie auch nach künftigen Erweiterungsrunden handlungsfähig ist und der Weg offen bleibt für eine kontinuierliche Vertiefung der Integration. Nur als eine starke politische Union hat eine EU, die 25 oder mehr Mitgliedstaaten umfasst, eine Zukunft.
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* Karl Georg Doutlik ist Leiter der Vertretung der Europäischen Kommission in Österreich