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EU-Kommissar Füle fordert Reformen ein. | Nationalisten wieder im Aufwind. | Wien. EU-Erweiterungskommissar Stefan Füle hat auf einer Diskussionsveranstaltung im Rahmen seines Wien-Besuchs eine gewisse "Erweiterungs-Apathie" unter den politischen Eliten des Balkan konstatiert. Gleichwohl hoffte der Tscheche auf neuen Schwung durch den Abschluss der Beitrittsverhandlungen mit Kroatien. Füle forderte auch einen verstärkten Kampf gegen Korruption in den Justizsystemen des Balkan.
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Was die Entwicklung der einzelnen Länder anbelangt, verteilte der Kommissar Zuckerbrot und Peitsche: Während Serbien, Mazedonien und Montenegro schon recht weit seien, stellte Füle Albanien die Rute ins Fenster: Das bitterarme, von einem politischen Dauerkrach zutiefst entzweite Land "riskiert, zurückzubleiben". Dort, in Bosnien-Herzegowina und dem Kosovo seien dringende Reformen vonnöten, auch im Bereich Rechtsstaatlichkeit.
"Zwangsoptimismus"
Dass sich Füle und der internationale Bosnien-Beauftragte Valentin Inzko am Donnerstagabend dennoch sogar im Fall Bosniens zuversichtlich zeigten - immerhin hatten die dortigen Serben auf EU-Druck hin ein Referendum über die gesamtstaatliche Justiz abgeblasen -, hält der Politologe und Balkan-Kenner Vedran Dzihic allerdings für "Zwangsoptimismus". Der repräsentative Demokratie befinde sich überall am Balkan in einer sichtbaren Krise: "Die schwierige wirtschaftliche Lage hat zu intensiven politischen Kämpfen geführt, von denen besonders auch die national ausgerichteten Parteien profitieren", sagte Dzihic der "Wiener Zeitung". In Serbien beispielsweise würde eine vermehrte Sehnsucht nach dem "starken Mann" geäußert, die nationalistische Opposition befinde sich in Umfragen stabil auf Platz eins. Auch anderswo herrsche "Apathie".
Neben dem stagnierenden Bosnien gilt vor allem die schwierige Situation im ethnisch gemischten Kosovo als Brennpunkt. Erst am Donnerstagabend haben die USA serbischen Vorschlägen zur Teilung des Landes eine Absage erteilt. Das hätte "negative Auswirkungen auf die gesamte Region." Wenn Grenzen "um jede ethnische Gruppe" gezogen würden, sei die Katastrophe schon vorprogrammiert, sagte ein US-Vertreter.