Die ORF-Jahre unter Generaldirektor Alexander Wrabetz sind so schlecht nicht gewesen, wie sie von der Konkurrenz gemacht wurden.
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Was wir in Medien über die zu Ende gehenden Wrabetz-Generaldirektionsjahre lesen konnten, war überwiegend kritisch. So wurde etwa der Rückgang der Quoten dem ORF vielfach - von manchen Medien sogar monatlich - vorgehalten. Selbst österreichische Mitbewerber, die ein Interesse an einem schwächeren, also Reichweite verlierenden ORF haben, stimmten in diese Kritik ein - vielleicht auch nur deshalb, weil zumeist nicht sie von den Publikumsverlusten des ORF profitierten, sondern andere, nämlich sehr viele internationale Sender, die von immer mehr Menschen empfangbar wurden.
Der Rückgang der Marktanteile von 47,6 Prozent im Jahr 2006 auf 38,2 Prozent im ersten Halbjahr 2011 wurde vielfach mit einer geringer gewordenen ORF-Programmattraktivität begründet. Die Ursache ist indes schlüssiger dadurch zu erklären, dass es immer mehr TV-Angebote gibt. Als Wrabetz die Führung am Küniglberg übernahm, waren in österreichischen Haushalten durchschnittlich 56 Sender empfangbar, heute sind es 93, also um 66 Prozent mehr.
Dass der ORF europaweit von anderen öffentlich-rechtlichen Sendern beneidet wird, wissen hierzulande wenige: Gemeinsam mit dem finnischen öffentlich-rechtlichen TV teilt sich der ORF Platz zwei, knapp hinter Belgien. Und im Bereich Hörfunk führt der ORF mit 75 Prozent Marktanteil die Riege der europäischen Öffentlich-Rechtlichen an.
In den Bilanzen der Leistungen des ORF unter der Gesamtleitung von Wrabetz wird zumeist die Qualität der Informationssendungen als zumindest tadellos anerkannt. Wer die bisherigen Wrabetz-Jahre mit Zeiträumen unter anderer Leitung vergleicht, muss auch festhalten, dass die Satire im ORF einen großen Freiraum erreichen konnte: Die "Donnerstag-Nacht" wurde zum Markenzeichen für erfrischende Kritik, die auch gegenüber dem eigenen Sender nicht Halt machen musste. Die einschlägigen Preise für qualitätsvollen und mutigen TV- und Radiojournalismus und für anspruchsvolle TV-Produktionen sind in den vergangenen fünf Jahren überwiegend ORF-Mitarbeitern zuerkannt worden.
Unter Wrabetz setzte der ORF erste wichtige Schritte, um der durch Migration verstärkten Diversität der Gesellschaft gerechter zu werden. Und in einer harten Auseinandersetzung mit Straches FPÖ verteidigte er beharrlich das Redaktionsgeheimnis, was schließlich zu einer richtungweisenden Interpretation desselben durch den Obersten Gerichtshof geführt hat, deren Tragweite für die Journalismusentwicklung vermutlich erst in Zukunft ausreichend gewürdigt wird.
Der Platz ist hier zu knapp, um eine vollständige Bilanz der ORF-Jahre unter Wrabetz zu ziehen. Aber, so schlecht, wie sie von der Konkurrenz gemacht wurden, sind sie allemal nicht gewesen. Freilich, nicht alles war Gold, was durch Werbung zum Glänzen gebracht wurde. Aber so rostig und abgetakelt, wie die Konkurrenz den ORF gerne hätte, ist er zum Glück nicht.
Fritz Hausjell ist Außerordentlicher Universitätsprofessor am Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft der Universität Wien.
Dieser Gastkommentar gibt ausschließlich die Meinung des betreffenden Autors wieder und muss sich nicht zwangsläufig mit jener der Redaktion der "Wiener Zeitung" decken.