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Erzwungene Pause

Von Veronika Eschbacher

Politik

Erst im Dezember war Ex-Präsident Janukowitsch in Peking. Sind die ukrainisch-chinesischen Projekte geplatzt?


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Kiew. "Die Ukraine verkauft die Krim - aber nicht an Russland", titelte die russische Internetzeitung "Gazeta.ru" Anfang Dezember und bemerkte damals, dass klammheimlich der große Gewinner im Streit zwischen Russland und der EU ausgerechnet China werden könnte. Der Artikel erschien nur wenige Tage, nachdem der mittlerweile abgesetzte Präsident Wiktor Janukowitsch von einem Staatsbesuch bei seinem chinesischen Kollegen Xi Jinping zurückgekehrt war. In der Tasche hatte Janukowitsch mehr als 20 unterzeichnete Verträge und Abkommen zur Erweiterung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit, die dem Präsidenten zufolge chinesische Investitionen in der Höhe von acht Milliarden Dollar garantieren sollten.

Die Verträge waren das Ergebnis langer Vorbereitung und wurden von Kiew als Durchbruch gefeiert, auch wenn Janukowitsch ohne erhoffte direkte Finanzspritze für sein Land zurückkehren musste. Immerhin sollte die geplante Zusammenarbeit den jetzigen Warenaustausch zwischen den Ländern in Höhe von 7,3 Milliarden Euro verdreifachen.

"Über die letzten Jahre haben sich die ukrainisch-chinesischen Beziehungen intensiviert", erklärt Michail Paschkow, Direktor für internationale Programme am Kiewer Think Tank Razumkov Centre. Vor allem im Agrarsektor, in der Raumfahrt und der Rüstungsindustrie gebe es Berührungspunkte, die für beide Seiten von Interesse seien. "Das gab und gibt der Ukraine eine Chance, ihre Wirtschafts- und Handelsbeziehungen zu diversifizieren und schrittweise von der kritischen Abhängigkeit von Russland wegzukommen", sagt Paschkow. Momentan sei aber eine bestimmte Pause zu beobachten. "Die Okkupation der Krim hat freilich auf den Beziehungen gewisse Abdrücke hinterlassen", sagt der Politologe. "China nimmt momentan eine eher vorsichtige Position ein."

Schweigen um chinesischen Tiefseehafen auf der Krim

China muss zusehen, dass es mit intensiveren Beziehungen zur Ukraine - die für das Land der Mitte durchaus von Interesse wären - nicht seinen Partner Russland vergrämt. Von dem erhält es zur Modernisierung seines Militärs zwar Waffen, aber kaum Technologie. Hier sind die Ukrainer - laut Stockholmer Friedensforschungsinstituts Sipri ist Kiew der neuntgrößte Waffenexporteur der Welt, ein großer Anteil davon geht nach China - bereitwilliger als sein Nachbar. Auch der erste und bisher einzige Flugzeugträger der Chinesen stammt aus dem Land am Dnjepr. Peking wiederum versprach Kiew im Jänner Beistand im Falle eines Nuklearangriffs.

"Die neue Führung in der Ukraine wird nicht wieder von null beginnen müssen", ist Paschkow überzeugt. Inwiefern die umfangreichen Pläne, die die Bereiche Luft- und Schifffahrt sowie Energie und Straßenbau betreffen, aber realisiert würden, sei momentan schwer zu sagen. Dem Agrarministerium zufolge befänden sich etwa Verhandlungen über ein zweites Kreditabkommen mit der chinesischen Exim-Bank über 1,5 Milliarden Dollar im Endstadium. Ob aktuell Gespräche geführt würden oder die chinesische Seite abwarte, wollte man nicht beantworten. Die Projekte auf der Krim aber sind laut Paschkow "freilich fraglich". Chinesische Investoren wollten auf der Halbinsel unter anderem einen Tiefseehafen sowie ein Industriezentrum errichten. Eine Anfrage der "Wiener Zeitung" diesbezüglich bei der chinesischen Botschaft in Kiew blieb unbeantwortet.