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Es bleibt dabei

Von Alexander Dworzak

Politik

Merkel verweigert weiter Obergrenzen und will Mitte Februar über ihre Flüchtlingspolitik bilanzieren.


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Kreuth/Wien. Mit erhobenem Zeigefinger ist Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer dieser Tage auf der Webseite seiner CSU zu sehen. "Jetzt handeln!", lautet die dazugehörige Botschaft an Wähler wie Funktionäre - und an Angela Merkel. Bereits zum zweiten Mal binnen zwei Wochen reiste die Kanzlerin zu einer Klausur der Schwesterpartei nach Wildbad Kreuth, um ihre Flüchtlingspolitik darzulegen; am Mittwoch sprach sie vor den CSU-Abgeordneten im bayerischen Landtag.

Gegen eine Flüchtlings-Obergrenze hat sich Merkel aus rechtlichen und humanitären Gründen stets gestemmt. Eine plötzliche Kehrtwende existiert nur in den Träumen der CSU, auch wenn sich diese laut Umfrage 71 Prozent der Bürger im Freistaat wünschen. Und erst recht illusorisch ist die Höhe von 200.000 Flüchtlingen, wie von Horst Seehofer Anfang des Jahres gefordert. Zum Vergleich: 2015 kamen 1,1 Millionen Asylsuchende in Deutschland an. "Begrenzung ist nicht per se unethisch", ließ Deutschlands Präsident Joachim Gauck am Mittwoch beim Weltwirtschaftsforum in Davos aufhorchen. Ihm zufolge könne eine Begrenzungsstrategie "moralisch und politisch sogar geboten sein, um die Handlungsfähigkeit des Staates zu erhalten".

Kritik an Österreichs Regierung

Mit Genugtuung aufgenommen und als Handlungsauftrag gewertet wird Österreichs Obergrenze für den Flüchtlingszuzug bei der CSU. Merkel hält dagegen: Sie will Mitte Februar eine Zwischenbilanz ihrer Bemühungen ziehen, nach deutsch-türkischen Regierungsgesprächen, einer Geberkonferenz für Syriens Nachbarstaaten und einem EU-Gipfel. Zu Österreichs Obergrenze schwieg die Kanzlerin nach außen, gegenüber den CSU-Abgeordneten soll sie aber Kritik daran geübt haben. Merkel und Finanzminister Wolfgang Schäuble warnten vor einem Zerfall des Schengen-Raums. Sie plädierten abermals dafür, die Flüchtlingspolitik europäisch zu lösen, nicht aber national (siehe untenstehender Artikel).

CDU und CSU wollen die Flüchtlingszahlen reduzieren - derzeit werden täglich rund 200 der 2000 über Österreich ankommenden Flüchtlinge zurückgewiesen -, die Bayern dabei das Heft in deutscher Hand sehen. Auch möchte Seehofer als Teil seines Drei-Punkte-Plans die "Zahl der Flüchtlinge international und national spürbar reduzieren" - wie das international gelingen soll, erklärt Bayerns Ministerpräsident jedoch mit keinem Wort.

Lärm machen gegen die AfD

Also macht die CSU derzeit, was sie besonders gut kann: Lärm. "Wenn erst noch mehr Flüchtlinge kommen, ist es zu spät", sagt Bayerns Innenminister Joachim Herrmann zur "Bild"-Zeitung, die immer mehr von Merkels "Wir schaffen das"-Kurs abrückt. Und Finanzminister Markus Söder - er gilt als Favorit für die Nachfolge Seehofers - fürchtet in der "Passauer Neuen Presse" gar, Europa drohe die Spaltung.

Aus zwei Gründen schießt sich die CSU derzeit wieder auf die Kanzlerin ein: Erstens sind viele Funktionäre und Anhänger in der konservativen Union nach den Silvester-Übergriffen tief verunsichert, ob Angela Merkel in den vergangenen Monaten tatsächlich die richtige Politik verfolgt hat. "Köln hat alles verändert. Die Menschen zweifeln nun", sagte Hessens CDU-Ministerpräsident Volker Bouffier vor kurzem. Zweitens will die CSU die stete Abwanderung Konservativer zur Alternative für Deutschland (AfD) stoppen; sie hält laut aktueller Forsa-Umfrage bundesweit erstmals bei 10 Prozent.

Merkel hofft, die Wähler rechtzeitig vor den Landtagswahlen Mitte März in Sachsen-Anhalt (derzeit 15 Prozent für die AfD) Baden-Württemberg (10) und Rheinland-Pfalz (8) zurückzugewinnen. Gibt es bis Mitte Februar auf europäischer Ebene keine Einigung, könnte Merkel eine "Koalition der Willigen" schmieden. Das deutete ihre Vertraute, CDU-Vize Julia Klöckner, an.