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Protestdemonstration gegen die geplante Pensionsreform am Wiener Heldenplatz, betriebliche Informationsversammlungen, Verkehrsblockaden und "Abwehrstreiks". Die Pensionsreform droht unser Land zu spalten, Österreichs Betriebe befürchten zunehmende Produktionsausfälle und schwere Beeinträchtigungen in ihren Arbeitsabläufen.
Wer in dieser Situation einer Konflikt-Demokratie statt einer - in Österreich höchst erfolgreichen - Konsensdemokratie das Wort redet, nimmt letztlich schwere Beschädigungen des Wirtschafts-, Arbeits- und Sozialstandorts Österreich in Kauf. Um Mißverständnisse von vornherein auszuschließen: Natürlich hat das Parlament die Gesetzgebungskompetenz. Und: Die Sozialpartner sind keine Nebenregierung. Es gehört allerdings zur bewährten demokratischen Kultur in diesem Land, bei der Vorbereitung von Reformen den gesellschaftlichen Dialog und Konsens zu suchen. Reden statt Gesprächsverweigerung, Miteinander statt Gegeneinander ist nötig.
Nun ist es höchst an der Zeit, nicht nur von ausgestreckten Händen zu reden, sondern diese auch zu ergreifen. Ich appelliere daher sowohl an den ÖGB, wieder an den Verhandlungstisch zurückzukehren, als auch an die Regierung, ein umfassendes Pensionsmodell vorzulegen, welches die Bürger auch verstehen.
Um den sozialen Frieden zu sichern, der für jeden Investor, für jeden Betrieb und für den Wirtschaftsstandort Österreich insgesamt wichtig ist, war und ist die Wirtschaftskammer bereit, gemeinsam mit den Arbeitnehmervertretern und der Regierung bis Ende September 2003 ein Pensionskonzept für alle Bevölkerungsgruppen zu erarbeiten. Zugleich habe ich aber die Gewerkschaften immer wieder eindringlich gewarnt, dass Streiks keine Lösung sind, sondern nur Probleme verschärfen, weil sie Betriebe und Arbeitsplätze gefährden. Nun liegt es an allen, an Regierung, Parteien und Gewerkschaften, durch kluges und maßvolles Verhalten ungünstige Entwicklungen zu vermeiden. Die Wirtschaftskammer selbst wird alles in ihrer Macht stehende tun, um Schaden von den Unternehmen abzuwenden.
Aufgrund der demographischen Entwicklung muss das derzeitige Pensionssystem umgebaut und harmonisiert werden. Notwendige Kürzungen der Pensionsleistungen sind in Zukunft unumgänglich, um das Pensionssystem langfristig abzusichern. Kurz: Jeder muss Haare lassen, aber es darf niemand skalpiert werden.
Neben den Frauen mit Betreuungspflichten sind insbesondere die Gewerbetreibenden aufgrund ihrer stark schwankenden Einkommensverläufe bei einer Pensionsreform am stärksten betroffen. Und dies, obwohl die durchschnittliche Pension eines Selbständigen derzeit ohnedies nur etwas über 1000 Euro beträgt. Gemeinsam mit der Regierung wurden nun erste Abfederungsmaßnahmen der ursprünglich geplanten Pensionspläne der Regierung erreicht. Das ist ein Schritt in die richtige Richtung, dem im Verlauf der parlamentarischen und politischen Beratungen zwischen Regierung, Parlamentsparteien und Sozialpartnern noch weitere folgen müssen.
Dr. Christoph Leitl ist Präsident der Wirtschaftskammer Österreich