Analyse: Die ganze Affäre rund um Datenleck, Bifie und Absage des Pisa-Tests gehört gründlich untersucht.
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Wien. Technisch wäre eine Durchführung des Pisa-Tests 2015 auch in Österreich kein Problem. Wenn nicht durch das Bundesinstitut für Bildungsforschung (Bifie), dann halt durch eine andere Institution. Im Land des "E-Government-Europameisters" (© Gabriele Heinisch-Hosek) wird sich wohl jemand finden, der das kann.
Stattdessen will Unterrichtsministerin Heinisch-Hosek lieber ein Jahr lang das Bifie prüfen lassen. Die Idee ist ja an sich die richtige. Wo es technische Probleme gibt - etwa dass Daten irgendwo einsehbar sind, wo sie es nicht sein sollten -, gehören diese gelöst. Darum ist es an sich ja auch richtig, den TÜV Austria zu beauftragen. An sich. Tatsächlich hat das Ganze aber doch sehr den Geruch einer Alibiübung. Denn beim Bifie gibt es zweifellos vieles aufzuklären, aber das geht über technische Probleme hinaus. Daher braucht es mehr als einen "Technischen Überwachungsverein".
Mit der Frage, wieso die Daten eines Schülertests auf dem Server eines Tochterunternehmens der Firma Kapsch BusinessCom in Rumänien - zumindest für Personen mit dem entsprechenden Fachwissen - frei zugänglich waren, beschäftigt sich mittlerweile das Bundeskriminalamt. Der Verdacht - zumindest von Kapsch - lautet auf Sabotage. Ein "Datenleck" wird ausgeschlossen.
Verschlüsselt, aber nicht ganz
Zu klären ist darüber hinaus, wieso die Daten, die vom Bifie zu Testzwecken an Kapsch weitergegeben wurden, offensichtlich ungenügend verschlüsselt waren. Laut Bifie waren sie verschlüsselt. Auch Kapsch-BusinessCom-Chef Franz Semmernegg erklärt im Gespräch mit der "Wiener Zeitung", dass aus den Daten keinerlei Rückschlüsse auf die Schüler gezogen werden konnten. Tatsache ist aber, dass offenbar Daten und E-Mail-Adressen tausender Lehrer nicht verschlüsselt waren.
Warum wurden überhaupt Daten weitergegeben? Es ging um die Erprobung neuer Software. Laut Kapsch und Bifie eine Neuentwicklung, die günstiger sein soll als die bisher verwendete. Laut dem früheren Bifie-Direktor Josef Lucyshyn hingegen sollte die alte, teure Software "geklont" werden. Auch das IT-Unternehmen Zoe Solutions, ehemals Vertragspartner des Bifie, vermutet einen "Verstoß gegen die Softwarelizenzbestimmungen". Davon will man bei Kapsch nichts wissen. "Wir haben das von unserer Rechtsabteilung prüfen lassen", sagt Semmernegg. Kapsch habe so etwas "nicht nötig" und "wer so etwas behauptet, soll den Klagsweg beschreiten".
Pikante Verhältnisse
Auf das vermeintliche Datenleck hingewiesen hat Zoe Solutions. Auch deren Rolle - am Montag war niemand für die "Wiener Zeitung" erreichbar - wäre einen genaueren Blick wert. Eine ehemalige Bifie-Mitarbeiterin war nämlich nicht nur die Ehefrau des Zoe-Solutions-Chefs, sondern auch Gesellschafterin des Unternehmens. Pikanterweise war sie auch für die Verwaltung jener Daten zuständig, die später auf dem rumänischen Server landeten.
Dass es bei der Auftragsvergabe durch das Bifie mitunter zweifelhaft zuging, war auch die Begründung für die seinerzeitige Entlassung von Lucyshyn als Direktor. Allerdings hat die Disziplinarkommission im Unterrichtsministerium kein "schuldhaftes Fehlverhalten" festgestellt. Doch aus dieser Zeit rühren zahlreiche Animositäten zwischen ehemaligen und aktuellen Führungskräften des Bifie her - ein Umstand, der die Arbeit des Instituts nicht gerade erleichtert.
Aufzuklären und aufzuarbeiten gibt es im Bereich des Bifie also genug - technisch, rechtlich, persönlich. Für eine einwandfreie Durchführung der Schülertests - neben Pisa sind auch die Timms- und Bildungsstandard-Erhebungen abgesagt worden - genügt eine technische Überprüfung, und die braucht kein Jahr. Ministerin Heinisch-Hosek sollte eine nachvollziehbare Begründung für den Teststopp liefern. Andernfalls liegt tatsächlich der Schluss nahe, dass sie sich einfach unangenehme weil schlechte Ergebnisse ersparen will.