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Es braucht Mut zu echter Transparenz

Von Mathias Huter

Recht

Kommt endlich ein Informationsfreiheitsgesetz? Ob es politischen Willen für ein bürgerfreundliches Recht auf Zugang zu Behördeninformation gibt, wird sich in den kommenden Wochen zeigen.


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Wien. Einige Fortschritte würde der bislang bekannte Entwurf für ein Informationsfreiheitsgesetz (IFG) bringen: Statt dem Amtsgeheimnis käme ein verfassungsrechtliches Grundrecht auf Information von staatlichen Stellen; Bürger hätten erstmals die Möglichkeit, Dokumente statt nur eine Auskunft zu beantragen - und das nicht nur von Behörden, sondern auch von staatlichen Einrichtungen und Unternehmen (ausgenommen an der Börse notierende), die der Rechnungshofkontrolle unterliegen. Ob das Gesetz in der Praxis für genug Transparenz sorgen wird, ist zu hinterfragen.

Schwacher Rechtsschutz

Die Probleme liegen im Detail: Will ein Bürger nach verweigerter Auskunft sein Recht auf Information gegenüber einem staatlichen Unternehmen durchsetzen, so muss er laut Entwurf auf dem Zivilrechtsweg klagen - was mit enormen Kostenrisiken verbunden wäre, die wohl keine Bürgerinitiative und kein freier Journalist in Kauf nehmen wird können. Die Politik hätte Anreize, staatliches Handeln weiter outzusourcen, um es so öffentlicher Kontrolle zu entziehen.

Die Regelungen des IFG-Entwurfs sind nicht bürgerfreundlich - obwohl es eigentlich Ziel des Gesetzes sein sollte, staatliches Handeln und die Verwendung von Steuergeldern für die Öffentlichkeit einfach nachvollziehbar zu machen und echte Kontrolle durch Medien und Zivilgesellschaft zu ermöglichen. So könnte das Vertrauen in den Staat in einer Zeit, in der führenden Politikern der Begriff "Fake News" schnell über die Lippen kommt, nachhaltig gestärkt werden. Zu Transparenz-Standards, die anderswo längst gelebt werden, wird Österreich nicht aufschließen - sofern in Verhandlungen um eine nötige Zweidrittelmehrheit nicht deutlich nachgebessert wird.

So sieht das geltende Auskunftspflichtgesetz aus dem Jahr 1987 - aus einer Zeit also, in der es keinen elektronischen Akt, kein E-Mail und kein Internet gab - eine Antwortfrist von acht Wochen vor. Gemäß IFG-Entwurf soll diese auf bis zu 16 Wochen ausgedehnt werden. Zwar gilt: Information ist "ohne unnötigen Aufschub" zu erteilen. Die bisherige Praxis zeigt jedoch, dass Behörden oft mit einer Antwort bis zum Ende der Frist warten - oder diese sogar verstreichen lassen. Information verliert mit der Zeit an Relevanz, eine lange Frist untergräbt die Kontrollmöglichkeiten von Journalisten und Bürgerinitiativen. Zum Vergleich: EU-Behörden müssen heute Bürgern binnen 15 Arbeitstagen Dokumenteneinsicht gewähren; in Dänemark und Portugal müssen Behörden binnen zehn Arbeitstagen Behördendokumente herausgeben, in Estland binnen fünf.

Hamburger Vorbild

Die Hamburger Elbphilharmonie wurde am Mittwoch feierlich eröffnet. Die Fertigstellung des imposanten Konzerthauses lag sieben Jahre hinter Plan und kostete 789 Millionen Euro - zehn Mal mehr als ursprünglich veranschlagt. Schuld daran: schlecht gestaltete Verträge zwischen Stadt, Bauherren und Baufirmen. Hamburg reagierte, indem es sich ein Transparenzgesetz verordnete. Seit 2014 sind alle Verträge der öffentlichen Hand mit einem Wert von mehr als 100.000 Euro im Volltext auf einer Transparenzplattform zu veröffentlichen. Sämtliche Gutachten und Studien, die die öffentliche Hand in Auftrag gibt, sind ebenso online zu stellen wie Subventionen über 1000 Euro. Würde Österreich dieses Prinzip übernehmen, könnte endlich Transparenz bei Förderungen und Vergaben geschaffen werden - geheime Subventionen, wie die der Niederösterreichischen Landesregierung an die Dr. Erwin Pröll Privatstiftung, wären so unmöglich.

Eine automatische Veröffentlichung wäre ein effektives Mittel gegen Spekulationen mit Steuergeldern: In Hamburg sind von der Veröffentlichungspflicht betroffene Verträge nämlich so zu schließen, dass sie frühestens einen Monat nach Veröffentlichung wirksam werden und die Behörde innerhalb dieser Frist vom Vertrag zurücktreten kann (Ausnahmen sind möglich, wenn dadurch ein schwerer Schaden droht oder Gefahr im Verzug ist). Erst so wird eine echte Mitwirkung der Öffentlichkeit möglich - oft wissen Journalisten und Bürger ja nicht, dass die öffentliche Hand einen bestimmten Vertrag abgeschlossen oder ein Gutachten erstellt hat, deren Herausgabe sie beantragen können.

Slowakei: Verträge im Internet

Die Idee der Veröffentlichungspflicht von Verträgen kommt aus der Slowakei, wo sie mit Schwellenwerten von wenigen tausend Euro seit 2011 in Kraft ist. Seither ist die Zahl der bei Ausschreibungen mitbietenden Unternehmen um die Hälfte gestiegen. Gleichzeitig ist die Zahl der Fälle, in denen Behörden ohne Ausschreibung direkt von einem Lieferanten kaufen, stark zurückgegangen, zeigt eine Studie von Transparency International Slovakia.

Offenheit schafft Vertrauen in den Staat und hilft dabei, dass Steuergelder möglichst effizient verwendet werden. Die so entstehende Preistransparenz bei Beschaffungen stärkt auch der öffentlichen Hand bei Verhandlungen mit Lieferanten den Rücken und ermöglicht, ein besseres Preis-Leistungsverhältnis im Interesse der Bürger zu erzielen. Das slowakische Modell macht Schule: Tschechien hat es im Vorjahr eingeführt. In Österreich schenkte man dem keine Beachtung.

Der IFG-Entwurf sieht zwar eine "Veröffentlichung von Informationen von allgemeinem Interesse" im Internet vor - welche Informationen darunter fallen, beschreibt das Gesetz jedoch nicht. Ob Verträge der öffentlichen Hand nach Ausschreibungen auf Antrag herausgegeben werden müssen, steht in Zweifel, der Entwurf sieht eine Geheimhaltung vor, wenn dies "im wirtschaftlichen oder finanziellen Interesse" einer staatlichen Stelle ist. Andere Länder sind hier deutlich strenger und erlauben eine Geheimhaltung nur bei einem nachzuweisenden Schaden für die öffentliche Hand - und nur, wenn kein überwiegendes öffentliches Interesse an einer Veröffentlichung besteht.

Transparenz-Kontrolle fehlt

Zahlreiche Länder haben einen unabhängigen Informationsfreiheitsbeauftragten geschaffen, um einen unbürokratischen Informationszugang für Bürger sicherzustellen. Die Stelle unterstützt Behörden bei der mitunter schwierigen Abwägung zwischen Transparenz und berechtigten Geheimhaltungsgründen, kann im Streitfall vermitteln oder als Beschwerdeinstanz entscheiden, überwacht die Umsetzung des Gesetzes und sorgt so für einen nachhaltigen Wandel der Verwaltungskultur, hin zu einem Verhältnis zwischen Bürger und Verwaltung auf Augenhöhe. Dieses internationale Erfolgsmodell auch nach Österreich zu bringen, war nicht mehrheitsfähig - es würde neue Bürokratie geschaffen, so die Regierungsparteien.

Gleichzeitig machen die Länder mit Junktimen ihre Zustimmung zu einem IFG davon abhängig, ob sie mehr Kompetenzen beim Verschieben von Bezirksgrenzen und der Besetzung von Landesamtsdirektoren erhalten. Mut und politischer Wille zu echter Transparenz im Sinne der Bürger sind hier nicht erkennbar.

Gastkommentar

Mathias Huter

ist Generalsekretär des Forum Informationsfreiheit und Consultant im Bereich Entwicklungshilfe. Das Forum Informationsfreiheit setzt sich seit vier Jahren für die Abschaffung des Amtsgeheimnisses und mehr Transparenz in Österreich ein.