)
Ex-ÖVP-Generalsekretärin Korosec: Dohnal war "Synonym für Emanzipation". | Ex-SPÖ-Bundesfrauensekretärin Karlsson: "Jugend nicht mehr kampfbereit". | Am Samstag ist im Krematorium Simmering in Wien die Verabschiedung von Johanna Dohnal, die am 20. Februar kurz nach ihrem 71. Geburtstag verstorben ist. Dohnal war von 1979 bis 1995 in der Regierung, zuerst als Staatssekretärin für Frauenfragen, ab 1990 als erste Frauenministerin. | Führungsetagen in Männerhand
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 15 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
"Wiener Zeitung": Was bleibt von Johanna Dohnal? Ingrid Korosec: Eine großartige Frau, die vieles verändert hat. Sie war ein Synonym für Emanzipation. Sie hat die Diskriminierung der Frauen plakativ aufgezeigt und ins öffentliche Bewusstsein gebracht. Sie war für mich in der Zusammenarbeit, die keineswegs konfliktfrei war, ein Mensch, der offen war und Handschlagqualität hatte.
Irmtraut Karlsson: Ich kann da nur anschließen, vor allem mit dem Öffentlichmachen. Es war ja nicht gewünscht, dass Frauenpolitik hinausgetragen wurde.
Korosec: Gewünscht war es später auch nicht.
Karlsson: Ja, aber sie hat es gemacht, sich durchgesetzt und das von Anfang an. Wo immer sie war, ob im Wiener Gemeinderat oder in der Regierung. Was für mich von Dohnal bleibt, ist die Vielseitigkeit, dass sie die verschiedensten Ebenen der Diskriminierung aufgegriffen hat. Von den ungleichen Lehrplänen - das Werken und Kochen - über Gesetzesänderungen im Familienrecht bis zu Sexismus in der Werbung. Das war ja sehr aufregend, wie sie den Sexismusbeirat für Werbung eingesetzt hat.
Darf ich Sie etwas fragen? Sie frühstückten ja oft mit Dohnal. Was haben Sie damals besprochen?
Korosec: Wir haben diese Frühstücke genossen und völlig offen gesprochen. Danach haben wir oft gesagt: ,Wenn da jemand zugehört hätte, wären wir beide unseren Job los. Wir haben über die Politik, über politische Kolleginnen und Kollegen gesprochen; wie man manches, das man erreichen will, durchsetzen kann; welche Unterstützung wir uns geben können. Ich erinnere an Jolly (Josef) Hesoun (SPÖ-Sozialminister, Anm.), den wir beide sehr mochten, der aber nicht immer hilfreich war. Da haben wir uns überlegt, wie nehmen wir ihn, den Jolly.
War Dohnal damals die richtige Frau zur richtigen Zeit, oder sind die Reformen ohnehin in der Luft gelegen? Korosec: Grundsätzlich lagen Reformen in der Luft und es gab ja Bestrebungen von allen Parteien. Aber es brauchte eine Leitperson, die mit Nachhaltigkeit und Hartnäckigkeit etwas weiter treibt. Es war schon ihre Person, die schließlich Erfolge gebracht hat.
Karlsson: Das Klima für Veränderungen war da. Aber ich möchte auf den Unterschied zwischen Deutschland und Österreich verweisen. Dass wir als katholisches Land die Strafrechtsreform und den Schwangerschaftsabbruch in Form der Fristenlösung durchgesetzt haben, das hat sehr viel mit der Persönlichkeit zu tun gehabt. Oder beim Thema Gewalt gegen Frauen, wo wir ja in Wien sofort ein Frauenhaus gemacht haben.
Korosec: Das hat an sich Marilies Flemming (Wiener Landtag, von 1987 bis 1991 Familien- und Umweltministerin, Anm.) initiiert.
Karlsson: Ja, aber Flemming wollte ein Mutter-Kind-Heim, sie war kompromissbereit. Dohnal wollte ein Frauenhaus.
Korosec: Wobei man sehen muss, dass die ÖVP-Frauen versucht haben, in dem Bereich durchaus aktiv zu sein - unter noch schwierigeren Bedingungen. Dohnal hatte natürlich auch unter den Männern in ihrer Partei einige, die sie abgelehnt haben. Aber die ÖVP-Frauen haben gerade bei der Fristenlösung einen Kompromiss gesucht. Wir haben zwar ja zur Fristenlösung gesagt, wollten aber mehr Beratung für die Frauen haben.
Karlsson: Eine weitere Diskrepanz gab es bei der Empfängnisverhütung. Der Sexkoffer hat zu großer Aufregung geführt. Es ging ihr darum, laut zu sein und eben keine Kompromisse zu schließen.
Korosec: Ich erinnere mich da an einen Ausspruch von Bruno Kreisky, der gesagt hat: ,Eine Mehrheit, die sich als Minderheit fühlt, muss lauter schreien, um gehört zu werden. Für mich und die ÖVP-Frauen war Dohnal eine Unterstützung. Für uns war vieles nicht machbar, aber vieles ist dann doch gegangen. Das kann man sich ja heute gar nicht mehr vorstellen, etwa wenn ich an den geteilten Karenzurlaub denke, oder das Namensrecht
Karlsson: Wo es in der ÖVP noch zum Schluss geheißen hat: ,Das ist ein Orchideenthema.
Korosec: Und die Vergewaltigung in der Ehe - da hatte man fast den Eindruck, man wird gelyncht, wenn man dagegen angekämpft hat. Sie hat das Thema weitergetrieben. Es war eine interessante Zeit. Die ganze Familienrechtsreform: Der Mann war damals Familienoberhaupt, er musste der Frau die Erlaubnis geben, wenn sie arbeiten wollte. Das glaubt man ja heute alles nicht mehr. Daher glaube ich, dass die heutige Jugend nicht mehr so kampfbereit ist.
Karlsson: Auf anderen Gebieten.
Korosec: Ja, aber für die Emanzipation nicht. Ich glaube schon, dass da Stillstand eingetreten ist.
Karlsson: Ich glaube, man überschätzt das heute. So viele Frauen waren es damals auch nicht, die sich engagiert haben. Es war eine andere Medienlandschaft. Feminismus war damals News. Ich weiß nur, wie wir damals zur Abschaffung des Paragrafen 144 angetreten sind. Wir waren damals acht unbedarfte Frauen - in Bezug auf Medienarbeit - , haben eine Pressekonferenz gegeben und das Thema wurde von allen Medien aufgegriffen. Es war also eine gewisse Bereitschaft, die Dinge anzunehmen. Das hat Dohnal erkannt.
Was waren Dohnals größte Verdienste oder möglicherweise Versäumnisse ? Karlsson: Bei der Berufswahl - Frauen in technische Berufe - ist sie gegen Wände gerannt. Dasselbe gilt auch für die Lohnunterschiede.
Korosec: Wo wir uns nicht so einig waren, war etwa der Betriebskindergarten. Für mich war das etwas Positives, weil das für Frauen einfacher ist. Aus rein praktischen Gründen war ich dafür, wohl wissend, dass das eine gewisse Abhängigkeit bedeuten kann. In der Zwischenzeit setzt sich das durch.
Karlsson: Man darf nicht vergessen, dass sich die Mobilitätsverhältnisse geändert haben. Es haben sich dann aber überbetriebliche Kindergärten durchgesetzt.
Korosec: Wo wir uns auch nie einig waren, war die Teilzeit. Ich habe mich immer für qualifizierte Teilzeit eingesetzt, leider auch nicht erfolgreich. Alle Positionen, die von qualifizierten Männern besetzt sind, behaupte ich, sind Teilzeitjobs. Denn diese sind in verschiedenen Aufsichtsräten, Gremien, gehen Golfspielen, um Geschäftspartner zu treffen. Männer sind also auch nicht durchgehend im Unternehmen. Bei Frauen sagt man, 30 Stunden sind zu wenig für eine Top-Position.
Karlsson: Da war Dohnal misstrauischer. Sie sagte, qualifizierte Teilzeit gibt es ohnehin nicht und für die Frauen wirkt sich Teilzeit negativ aus. Tatsächlich hat sich das in eine viel schlimmere Richtung entwickelt, nämlich zu den prekären Arbeitsverhältnissen.
Wo sind heute die Frauen, die einen ähnlichen Durchbruch schaffen könnten? Karlsson: Die Massenparteien werden immer mehr zu Funktionärsparteien. Die Mobilisierung fehlt.
Korosec: Bei anderen Themen gibt es sie, ich denke nur an Facebook. Es fehlen die Leitfiguren. Jene, die das Bohren dicker Bretter - wie Max Weber gesagt hat - übernehmen, sehe ich heute nicht.
Karlsson: Die Leistung Dohnals ist, dass sie Dinge geschaffen hat, die nicht mehr umkehrbar sind - etwa Maßnahmen gegen Gewalt gegen Frauen.
Was auch nicht umkehrbar ist, ist das unterschiedliche Pensionsalter für Frauen, das Dohnal mit einem Verfassungsgesetz bis 2019 festgeschrieben hat. Wie schätzen Sie das ein? Korosec: Da haben wir damals Seite an Seite gekämpft, ich sehe das aber heute differenzierter. Damals haben wir das mit einer Reihe von Verbesserungen verbunden. Jetzt sehe ich das als Problem an. Ein Karriereschritt für einen Mann mit 50 plus ist selbstverständlich. Einen Karriereschritt für eine Frau mit 50 plus gibt es nicht - weil Frauen früher in Pension gehen.
Karlsson: Das hat mit dem Pensionsalter nichts zu tun. Die Idee war ja, Frauen, die eine Doppelbelastung haben, sollen nicht gezwungen werden, länger zu arbeiten. Und außerdem war das mit dem Gleichbehandlungsbericht verbunden. Durch diesen Bericht an den Nationalrat sollte sichergestellt werden, dass das laufend kontrolliert wird. Das ist nicht passiert.
Korosec: Ja, das ist versandet. Trotzdem, das Pensionsalter wird erst 2033 endgültig angeglichen sein und das ist zu spät.
Karlsson: Es gibt ja die Tendenz, Frauen früher zu kündigen, weil die Jobs nicht da sind.
Korosec: Dennoch, so lange sollte es nicht sein, weil wir damit Karrieremöglichkeiten verhindern.
Karlsson: Wenn die Gleichbehandlung schon gegeben wäre, würde man sehr wahrscheinlich eine Zwei-Drittel-Mehrheit finden, die das ungleiche Pensionsantrittsalter aufhebt, noch sind wir nicht so weit.
Fehlt heute das Engagement, weil alles erreicht ist? Karlsson: Nein, sicher nicht, schauen wir doch auf die Lohnunterschiede. Aber wie gesagt, es fehlt an Personen. Die politischen Strukturen, aber auch die Medien erlauben nicht mehr, dass solche Persönlichkeiten hochkommen. Aber vielleicht ist in fünf Jahren wieder alles anders.
Korosec: Gabriele Heinisch-Hosek ist mehr Beamten- als Frauenministerin. Aber der Tag hat eben nur 24 Stunden.
Brauchen wir heute noch ein Frauenministerium? Beide: Ja.
Ingrid Korosec(69) wurde 1983 von Erhard Busek in die Wiener Kommunalpolitik geholt. Sie war ÖVP-Generalsekretärin (1991-1995), Nationalratsabgeordente, und Volksanwältin (1995-2001). Derzeit ist sie Präsidentin des Wiener Seniorenbundes und Gemeinderätin.
Dr. Irmtraut Karlsson (65) ist Sozialwissenschafterin. Sie war Generalsekretärin der Sozialistischen Fraueninternationale, 1985 bis 1995 SPÖ-Bundesfrauensekretärin, später Bundesrätin und Nationalratsabgeordnete. Karlsson schreibt seit 1999 Kriminalromane.