Zum Hauptinhalt springen

Es brodelt am Kap

Von WZ Online / Ralf E. Krüger

Politik

Johannesburg. Die 100-Tage-Schonfrist für Südafrikas neuen Präsidenten Jacob Zuma ist noch nicht abgelaufen, da sieht er sich mit sozialen Unruhen im ganzen Lande konfrontiert. Krawalle in den Townships und landesweite Streiks in diversen Sektoren der Wirtschaft, die unter der schwersten Rezession seit 17 Jahren ächzt und stöhnt.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 15 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Zuma hatte im Wahlkampf ein besseres Leben für alle in Aussicht gestellt - sehr zur Freude seiner Verbündeten aus dem Lager der Gewerkschaften und der Kommunistischen Partei. Die fordern nun schneller als erwartet die Einlösung dieser Versprechen ein.

Zuma, der öffentlich bereits um mehr Geduld mit seiner erst im Mai angetretenen Regierung bat, könnte die soziale Unruhe kaum ungelegener kommen. Denn weniger als ein Jahr vor der Fußball-Weltmeisterschaft droht sie Südafrika in ein schiefes Licht zu rücken. Bang schreibt bereits ein Kommentator der südafrikanischen "Times": "Es scheint zunehmend offensichtlicher zu werden, dass die WM von den Arbeitern für ihre Tarifforderungen ins Visier genommen wird." Die Frage dränge sich daher auf, ob sich der Staat genügend gegen ein Streikrisiko im kommenden WM-Jahr gewappnet habe.

Öffentliche Dienste bedroht

Doch unabhängig vom sportlichen Großereignis, das dem gesamten Kontinent endlich das seit langem ersehnte positive Image bescheren soll, droht die größte soziale Sprengkraft durch Proteste gegen den Zerfall des öffentlichen Dienstes. Die Medien am Kap berichten regelmäßig über skandalöse Missstände in Krankenhäusern, Amtsstuben, Schulen, Sozialämtern. Obwohl sich die Funktionäre üppige Gehälter und Privilegien sichern, mangelt es ihnen oft an Leistungswillen. Ihr zur Schau gestellter neuer Reichtum erregt öffentlichen Unmut.

"Die Dinge stehen schlecht in diesem Lande und je eher wir das akzeptieren, umso besser", meinte Kolumnist Fikile-Ntsikelelo Moya, der im "Sowetan" angesichts eines von ihm beklagten staatlichen Vakuums von "anarchischen Zuständen" sprach. Karikaturisten malen bereits Landkarten, in denen Südafrika in zwei Lager aufgeteilt wird: in das Streiklager und in das Lager, das sich mit Gewalt endlich Gehör bei den Mächtigen des Landes erzwingen will.

Vor laufender Kamera gestehen wütende Township-Bewohner neben brennenden Barrikaden, dass sie ihre Gewalt bewusst auch gegen Migranten aus anderen Teilen des Kontinents richten. "Sonst hört uns die Regierung ja nicht zu", klagt einer, dem der Kragen platzte. Von einer "städtischen Rebellion" gegen die leere Rhetorik einer abgehobenen schwarzen Elite spricht der Dozent Richard Pithouse von der Rhodes Universität. Er meinte in einem Gastbeitrag für eine der führenden Zeitungen des Landes: "Wir haben bereits eine Art Kastensystem entwickelt, in dem die Armen eines gleichberechtigten Dialogs mit Politikern einfach für unwürdig erachtet werden."

Neue Elite neben Elend

Während 90 Prozent der Bevölkerung am Kap so wenig verdienen, dass sie nicht einmal steuerpflichtig sind, macht eine neue Elite durch ihren Hang zum Luxus Schlagzeilen. Mehrere der neuen Minister in Zumas Regierung bestellten sich nach ihrer Ernennung als erste Amtshandlung oft üppig ausgestattete Dienstwagen der Luxusklasse. Nachdem sich Südafrika in der ersten Rezession seit 17 Jahren befindet und entgegen Zumas Versprechen kaum neue Arbeitsplätze geschaffen, sondern viele bestehende abgebaut werden, stößt diese Haltung zunehmend auf Kritik. Die oppositionelle Ministerpräsidentin der Westkap-Provinz, Helen Zille, forderte daher dringend, Privilegien für Staatsdiener einzuschränken. (APA)/dpa)