Irak, Jordanien, Libanon: Von allen Nachbarländern Syriens zeichnet sich allein die Türkei als stabilisierender Faktor aus.
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Der Nahe Osten gleicht manchmal einer Reihe von verdrahteten Sprengkapseln; ganz besonders scheint das im Moment auf Syrien und seine Nachbarn zuzutreffen. Der Arabische Frühling geht ins zweite Jahr, im Irak, in Jordanien und im Libanon herrscht politische Instabilität. In jedem dieser Länder erhält die Führung ihre Macht durch einen Balanceakt. Nur die Türkei, mit ihrer starken Wirtschaft, Armee und politischen Führung, ist anscheinend wirklich stabil.
Die Angst, die ganze Region könnte explodieren und noch mehr sunnitisch-schiitische Religionskriege auslösen, ist ein Grund, warum die US-Regierung es abgelehnt hat, die syrische Opposition zu bewaffnen. Mitarbeiter befürchten, dass eine Militarisierung des Konflikts ungewollte Konsequenzen wie im Irakkrieg mit sich bringen könnte.
US-Regierungsbeamte erwarten, dass der Friedensplan des früheren UNO-Generalsekretärs Kofi Annan scheitern wird, aber sie wollen noch nicht aufgeben. Besser, sagen sie sich, man lässt die geplanten 300 UNO-Beobachter nach Syrien fahren und dort möglicherweise eine neue Reihe von Protesten auslösen, die aufzeigen, dass die Regierung von Präsident Bashar al-Assad vor dem Scheitern steht.
Was diese Phase der Revolution in Arabien so kompliziert macht, ist, dass sich die neuen Themen der Befreiung mit alten ethnischen Hassgefühlen vermengen. Analysten Jordanien, dem Irak und dem Libanon beschreiben die wachsenden Spannungen:
Der irakische Premierminister Nouri al-Maliki sieht sich einem möglichen Bruch seiner Koalition gegenüber. Die potenzielle Opposition hat sich um den Führer der Schiitenmiliz Moqtada al-Sadr und den Kurdenchef Massoud Barzani vergrößert. Ende April drohten sie, Maliki fallenzulassen, wenn er nicht den Machtteilungspakt vom November 2010 in Kraft setzt.
Die Regentschaft von Jordaniens König Abdullah ist ein einziger langer Balanceakt - zwischen Palästinensern und Menschen von der East Bank, zwischen säkularen Modernisierern und islamistischen Konservativen. Er hat Glück, dass alle seine haschemitische Monarchie unterstützen. Aber in jüngster Zeit verstärkt sich dennoch das politische Gerangel.
In der heikelsten Lage von allen könnte der Libanon sein. Unter Premier Najib Mikati lautet die Politik "Entflechtung" vom Kampf in Syrien. Mikati will Hilfe aus Washington, damit der Libanon nicht tiefer in den regionalen Aufruhr gerät. Aber je länger die Auseinandersetzung in Syrien andauert, umso schwieriger wird es für alle Nachbarn, sich herauszuhalten.
Stammespolitik ist die Wildcard, die alles andere übertrumpfen könnte. Zwei große sunnitische Stämme, die Shammar und die Dulaim, breiten sich vom nördlichen Saudi-Arabien durch den westlichen Irak und Jordanien bis ins östliche Syrien aus. Einige Beobachter berichten, dass diese Stämme Blutrache gegen Assad geschworen haben. Stimmt das, könnte dies der Beginn einer entscheidenden Phase des Kriegs in Syrien sein.
Übersetzung: Redaktion
Siehe auch:
Originalfassung "Syria's restless neighbors"