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Es dreht sich doch um die Erweiterung

Von Martyna Czarnowska

Analysen

Nein, die Erweiterung war kein Thema. Oder irgendwie schon? Ein kleiner Satz fand sich dann doch in den Gipfelbeschlüssen der EU-Staats- und Regierungschefs: Diese nehmen die Mitteilung der EU-Kommission zur Erweiterungsstrategie zur Kenntnis. Das bedeutet, dass weitere Länder erst dann der Europäischen Union beitreten können, wenn sie die Bedingungen dafür erfüllen. Das wiederum bedeutet: nichts Neues.


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So kann sich jedes Mitglied weiterhin für den Gebrauch im eigenen Land hineininterpretieren, was es will. Die Schweden etwa können sagen, dass die Erweiterung weiterhin ein Anliegen der Union ist.

Die Franzosen und Österreicher andererseits haben die Möglichkeit zu betonen, dass ein EU-Beitritt der Türkei an die sogenannte Aufnahmefähigkeit des Staatenbundes geknüpft ist.

Es ist nämlich die Türkei, um die es sich dreht. Keine andere mögliche Mitgliedschaft war so umstritten. Und auch wenn das Land in den Gipfelbeschlüssen nicht genannt wurde - es war beim Treffen der EU-Staats- und Regierungschefs präsent.

Es spielte eine Rolle, als der Vertrag von Lissabon unterzeichnet wurde, der die Strukturen der Union reformieren und damit künftige Erweiterungen ermöglichen soll. Ebenso spielte es eine Rolle, als der Weisenrat eingerichtet wurde, der über die Grenzen Europas nachdenken könnte.

Auch Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy hatte die Türkei im Hinterkopf, als er darauf bestand, die Beitrittskonferenz kommende Woche in Regierungskonferenz umzubenennen.

Die Proteste aus Ankara, die darauf folgten, zeugen nicht zuletzt von der wachsenden Ungeduld der Türken. Denn das Tauziehen um einen möglichen EU-Beitritt des Landes währt seit Jahren. Dabei musste sich Ankara diverse Ideen - wie privilegierte Partnerschaft statt Mitgliedschaft - anhören. Ein klares Nein kam der EU nie über die Lippen, ebensowenig wie ein klares Ja - ohne ein Aber. Dass der türkische Premier Recep Tayyip Erdogan Sarkozy als "Heuchler" bezeichnet, der in Ankara anders spricht als in Paris oder Brüssel, ist aus Sicht vieler Türken verständlich.

Nicht einmal ein schwacher Trost kann der Türkei dabei sein, dass sich die EU ebenso mit der Anbindung Serbiens schwertut. Auch in dem Fall ist das Ja an ein Aber geknüpft. Dennoch: Beitrittsverhandlungen, wenn Belgrad die Unabhängigkeit der südserbischen Provinz Kosovo akzeptiert - das kann die EU nicht einfach anbieten. Wie es in dem Streit weitergeht, dafür gibt es nur vage Pläne.

Dass sowohl Serbien als auch die Türkei alle Kriterien für einen Beitritt erfüllen müssen, steht außer Frage. Darüber hinaus gehende Bedingungen können Belgrad und Ankara allerdings als Vorwand verstehen, die Mitgliedschaft zu verhindern.

Das Wort "Heuchelei" könnte ihnen da leicht wieder einfallen.