Zum Hauptinhalt springen

"Es drohen mehrere Katastrophen"

Von Heiner Boberski

Politik

Jakob von Uexküll, Schöpfer des Alternativen Nobelpreises und Initiator eines Weltzukunftsrates begrüßt im "WZ"-Gespräch den Globalen Marshall-Plan und warnt vor ökologischen Gefahren.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 20 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Beim Globalen Marshall-Plan, zu dessen Präsentation er unlängst nach Wien kam, hält Jakob von Uexküll "die Fixierung auf die EU für sehr interessant", denn: "Die EU muss endlich aus dem Schatten der USA herauskommen und weltweit ein anderes Modell präsentieren - für eine Wirtschaftsordnung, die gerecht ist und auch ökologisch nachhaltig. Sonst steuern wir in mehrere Katastrophen."

Der Spross aus altem baltischen Adel - sein gleichnamiger Großvater war ein bedeutender Biologe -, wuchs in Schweden auf und war von Jugend an politisch interessiert. Mit dem Erlös aus seiner wertvollen Briefmarkensammlung startete er 1980 den Alternativen Nobelpreis, mit dem vor allem Leistungen für die Umwelt und das Sozialwesen belohnt werden. Heute engagiert er sich besonders für einen Weltzukunftsrat, um die globalen Probleme vorausschauend zu bewältigen.

Als größte Bedrohung sieht Uexküll eine "rapid zunehmende Gefährdung unserer Lebensgrundlagen", vor allem den Klimawandel, mit dessen verheerenden Ergebnissen einer seiner Alternativnobelpreisträger schon in 30 bis 40 Jahren rechnet: "Es kann sein, dass noch zu Lebzeiten unserer Enkel nur mehr die Antarktis bewohnbar ist." Öl werde bald knapp und teuer werden. Schon jetzt gebe es "die meisten Flüchtlinge aus ökologischen, nicht aus politischen Gründen".

Die Idee der Ökosozialen Marktwirtschaft hält Uexküll für fundiert, durch sie unterscheidet sich der neue Globale Marshall-Plan vom historischen Marshallplan. Kein anderer Erdteil als Europa könne ein solches Projekt angehen, in Afrika, Asien und Lateinamerika hoffe man auf die EU als einen Gegenpol zur Dominanz der USA. Zur Frage eines EU-Beitrittes der Türkei meint Uexküll, Europa sollte sich den moderaten Kräften des Islam öffnen, sonst bestehe die Gefahr, dass diese Kräfte schwächer werden.

Den Politikern attestiert er einen "totalen Glaubwürdigkeitsverlust". Jakob von Uexküll wünscht sich den engagierten Bürger, der im alten Griechenland "polites" hieß - im Gegensatz zum apolitischen "idiotes". Gerade die Engagierten fühlten sich aber heute oft wie Idioten, sagt er.

Uexküll glaubt aber unverdrossen, dass jeder einzelne Mensch viel bewirken kann. Ein prägnantes Beispiel ist Wangari Maathai, die kenianische "Mutter der Bäume". Heuer erhält sie den Friedensnobelpreis - den Alternativpreis für Ökologie hat man ihr schon 1984 verliehen.