Nach seinem Wahlsieg will Premier Cameron das Referendum über einen britischen EU-Austritt nun schon 2016 abhalten. Die Zahl der EU-Gegner bei den Tories ist jedenfalls größer geworden.
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London. Die neue britische Regierung erwägt offenbar, das geplante Referendum über die weitere EU-Zugehörigkeit Großbritanniens schon im Sommer oder Herbst nächsten Jahres - und nicht erst 2017 - zu veranstalten. Das will die Zeitung "The Guardian" erfahren haben. Damit rückt die Möglichkeit eines "Brexit", eines britischen Abgangs aus der EU, um ein volles Jahr näher als ursprünglich geplant.
Premierminister David Cameron hofft, noch in diesem Jahr "einen besseren Deal für Großbritannien" mit seinen 27 EU-Partnern auszuhandeln, um dann im nächsten Jahr seine Landsleute zu befragen, ob dieser "Deal" den weiteren Verbleib in der EU rechtfertigt. Am Dienstag erklärte Schatzkanzler George Osborne, der die Verhandlungen leiten soll, bei einem ersten Besuch in Brüssel, dass London "konstruktiv", aber auch "fest entschlossen" das Verhältnis Großbritanniens zur EU auf eine neue Grundlage stellen wolle.
Beschleunigen will man den Referendums-Prozess in London vor allem, um den gegenwärtigen Rückhalt Camerons in der Konservativen Partei zu nutzen. Nach seinem Wahlsieg vom letzten Donnerstag fühlt sich Cameron auch in Europa in einer relativ starken Position. Die Regierungszentrale fürchtet auch, dass eine Kampagne, die sich sehr lang hinzöge, zu wachsender Frustration auf allen Seiten führen könnte. Außerdem will London mit seinem Referendum nicht den französischen Präsidentschafts-Wahlen und den deutschen Bundestags-Wahlen in die Quere kommen, die beide 2017 stattfinden.
Zu den kommenden Verhandlungen erklärte Cameron, er habe bereits Kontakt mit anderen europäischen Regierungschefs in dieser Frage aufgenommen. Die EU-Partner erwarten noch genauere Angaben über die britischen Reformvorstellungen. Diese sollen im Detail möglicherweise beim EU-Gipfel am 20. Juni enthüllt werden. Man geht aber in London davon aus, dass es vier zentrale Forderungen gibt.
Erstens strebt Cameron offenbar die radikale Reduktion von Sozialleistungen für Migranten aus anderen EU-Staaten an - und Garantien gegen einen Einwanderer-Zustrom nach einer künftigen EU-Erweiterung. Zweitens will er Sicherheiten dafür, dass Britanniens Zugang zum gemeinsamen Markt von der Eurozone nicht eingeschränkt werden kann. Drittens soll sein Land sich der EU-Verpflichtung zu "stetig engerer Union" entziehen können. Und viertens soll das britische Parlament EU-Gesetze und Direktiven leichter blockieren können, wenn diese für die Briten nicht akzeptabel sind.
Einige konservative Abgeordnete, wie der frühere Europa-Staatssekretär David Davis, verlangen sogar einen generellen "Opt-out" für London. Nur in einem solchen Fall kann sich Davis vorstellen, für einen britischen Verbleib in der EU zu werben und zu stimmen. Nach Schätzungen von Davis wollen etwa 60 der 331 Tory-Abgeordneten den Ausstieg aus der EU, egal wie Camerons Verhandlungen ausgehen. Eine weitere, wesentlich größere Gruppe von Tory-Hinterbänklern behält sich ein Nein für den Fall vor, dass ihnen die von Cameron angepeilte Vereinbarung mit der EU nicht ausreichend erscheint.
Farage bleibt Ukip-Chef
Deutlich ist diese Woche schon geworden, dass viele der neu gewählten und jüngeren Tory-Abgeordneten dem "euroskeptischen" oder offen anti-europäischen Lager angehören - während eine Vielzahl prominenter konservativer Pro-Europäer ausgeschieden ist. Eine Frage, die ebenfalls auf Cameron zukommt, ist, ob beim Referendum prominente Regierungsmitglieder zu einem Nein zur EU aufrufen dürften, wenn die offizielle Regierungslinie ein Ja wäre. Bisher hat der Premier auf einer einheitlichen Linie bestanden. Rund ein Drittel seiner Minister steht der EU aber skeptisch bis feindselig gegenüber. Außenminister Philip Hammond, Justizminister Michael Gove und Unterhaus-Führer Chris Grayling haben bereits erklärt, dass sie sich ein Leben außerhalb der EU "sehr gut vorstellen" könnten.
Ihre eigene Nein-Kampagne bereitet unterdessen die Anti-EU-Partei Ukip vor, die bei den Wahlen 13 Prozent errang. Sie zieht wieder unter ihrem Vorsitzenden Nigel Farage in die Schlacht, nachdem der Parteivorstand Farages Rücktrittsangebot diese Woche ausschlug - weil die Partei auf ihren "Publikumsmagneten" angewiesen ist. Ukip, versprach Farage am Dienstag, werde "eine zentrale Rolle" in der kommenden Kampagne spielen.