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Bundesregierung: Lücken in der Infrastruktur nicht akzeptabel
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Die Deutsche Bahn hat den Mainzer Bahnhof wegen Personalmangels teilweise abgekoppelt. Das kommt nicht nur bei der Bevölkerung, sondern auch bei der deutschen Bundesregierung schlecht an. Verkehrsminister Peter Ramsauer machte bereits bei Bahnchef Rüdiger Grube telefonisch Druck. Staatsekretär Michael Odenwald nannte die Situation "aus verkehrspolitischer Sicht nicht akzeptabel". Wichtige Knotenpunkte wie Landeshauptstädte müssten immer erreichbar sein. "Ferner erwarte ich, dass künftig sichergestellt wird, dass auch in Urlaubszeiten ausreichende Personalreserven vorhanden sind", schrieb Odenwald, der den Bund im Konzern-Aufsichtsrat vertritt. Nach der Bundesnetzagentur leitete nun auch das Eisenbahn-Bundesamt ein Verfahren gegen die Bahn ein.
Der Mainzer Hauptbahnhof kann derzeit in den Abend- und Nachtstunden nicht mehr angefahren werden, da die Bahn das Stellwerk dort nicht mehr mit Fahrdienstleitern besetzen kann. Sie führt dies auf einen unerwartet hohen Krankenstand sowie die Abwesenheit von Mitarbeitern wegen der Urlaubszeit zurück. Nachdem die Abkopplung zunächst nur für wenige Tage gelten sollte, dauert die Einschränkung nun bis Ende August. Dies hatte bereits die Landesregierung von Rheinland-Pfalz auf den Plan gerufen. Das Land zahlt unter anderem für Pendler-Züge, die jetzt die Landeshauptstadt nicht mehr anfahren können.
Nachwuchssorgen der Deutschen Bahn
Hintergrund der Personalknappheit sind auch Überalterung und Nachwuchsmangel bei der Bahn. Das Durchschnittsalter in der Netz-Sparte liegt bei 47 Jahren. Die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft EVG hatte bemängelt, das Problem sei seit Jahren bekannt. Es fehlten in den Stellwerken bundesweit rund 1000 Fahrdienstleiter, so dass schon über eine Million Überstunden aufgelaufen seien, kritisierte EVG-Chef Alexander Kirchner. Bahn-Personalvorstand Ulrich Weber sagte, es werde schon seit längerem umgesteuert. Es seien mehr Fahrdienstleiter als 2012 im Unternehmen. Es gebe aber noch Hausaufgaben zu machen, räumte er ein.
Mainz kein Einzelfall
Die Bundesnetzagentur wies ebenso wie das für Sicherheit zuständige Eisenbahn-Bundesamt (EBA) daraufhin, dass Mainz kein Einzelfall gewesen sei. Die Behörde sprach von Ausfällen in Bebra und Zwickau in der Vergangenheit. Das EBA hat jetzt wie auch die Bundesnetzagentur ein Verfahren gegen die Bahn eingeleitet. Die Behörde erwarte eine Stellungnahme, wie der Betrieb wieder aufgenommen werden solle, sagte ein Sprecher. Abgesehen von diesen Fällen prüfe das EBA auch grundsätzlich, wie die Bahn ihre Personalressourcen in den Stellwerken steuere. Dazu erwarte man vom Unternehmen Informationen zu Personalbemessung oder Ausbildung.
In Konzernkreisen hieß es, die Mängel in der Personalplanung hätten auch mit der Ablösung des Chefs der Netz-Sparte, Oliver Kraft, sowie dessen Arbeitsdirektor zu tun. Krafts Vertrag war erst im vergangenen Jahr bis 2017 verlängert worden, Anfang 2013 musste er dann gehen.
Kraft hatte zuvor die Netz-Sparte zum wichtigsten Gewinnlieferanten des Konzerns gemacht. Über Jahre wurden gerade in diesem Bereich jährlich Tausende Stellen abgebaut. Zugleich wurden allerdings die Stellwerke wegen verzögerter Investitionen im Zuge des geplanten Börsengangs 2008 langsamer als zunächst geplant durch moderne vollelektronische ersetzt, was zu einer Personalentlastung geführt hätte. Interne Papiere der Personalabteilung, die Reuters vorliegen, zeigen, dass die Überalterung gerade bei Fahrdienstleitern seit langem bekannt war. Die Bahn versucht jetzt Lücken etwa durch die Umschulung ehemaliger Schlecker-Mitarbeiterinnen oder von Bundeswehr-Angehörigen zu füllen.
(Reuters)
"Die Bahn ist für mich kein x-beliebiges Unternehmen, sondern hat eine hohe patriotische Komponente."
(Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer am 17.3.2010 in der Süddeutschen Zeitung)