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Es fehlen: Details und Richter

Von Walter Hämmerle

Leitartikel
Walter Hämmerle.
© Luiza Puiu

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Es ist schwierig, bei emotionalen Themen kühlen Kopf zu bewahren. Die Mindestsicherung ist ein solches Thema. Und dass dabei die politischen Gegner mit Vokabeln wie "mehr Gerechtigkeit" und "Anschlag auf die Menschenwürde" arbeiten, macht es nicht einfacher. Die Politik schafft sich mit ihrer permanenten moralischen Überhöhung ein Problem ganz eigener Natur, aber das nur nebenbei.

Über alle Gräben besteht immerhin Einigkeit, dass der Status quo von neun verschiedenen Ländervarianten bei der Mindestsicherung die Probleme nur verschärft. Daher die Notwendigkeit einer einheitlichen Regelung samt einem überschaubaren Spielraum für länderspezifische Lösungen. Darüber hinaus hilft es zu wissen, dass, als die Mindestsicherung 2010 in Kraft trat, niemand mit der Möglichkeit einer Flüchtlingskrise rechnete. Die seitdem massiv gestiegenen Kosten ließen auch den Streit um deren Zuschnitt und Zielsetzung eskalieren. Bis zum verbitterten Heute.

Die Regierung kommt nun mit ihrem Entwurf für eine einheitliche Mindestsicherung ihrem Ziel näher, Nicht-Österreichern und (meist ausländischen) Großfamilien den Bezug zu erschweren und die Koppelung an den Arbeitsmarkt zu verstärken.

Das muss man nicht mögen, es entspricht aber dem politischen Auftrag von rund 60 Prozent der Bürger, wenn man das Nationalratswahlergebnis von ÖVP und FPÖ als Maßstab nimmt. Womöglich sogar noch mehr, wenn man die Debatten in der Wiener SPÖ verfolgt. Und es gibt auch einzelne Verbesserungen, etwa für Alleinerziehende.

Ob die Vorhaben der Regierung vor den Höchstrichtern Bestand haben, wird sich weisen. Besonders der "Qualifizierungsbonus", der von Asylberechtigten Deutschkenntnisse einfordert, gilt als Wackelkandidat.

Der lauteste Aufschrei gegen die Pläne kommt von NGOs und Aktivisten, die sich dem Kampf gegen Armut und Diskriminierung verschrieben haben. Die Kritik der Oppositionsparteien, die in den Ländern auch Regierungsverantwortung tragen, fällt dagegen schaumgebremst aus. Das gilt vor allem für die SPÖ, deren Wähler hier gespalten sind. Schließlich verfolgt auch Wiens neuer Bürgermeister Michael Ludwig eine Sozialpolitik, die jene bevorzugen will, die bereits länger in der Stadt leben. Und die Kosten sind natürlich auch für Wien ein Thema, immerhin lebt hier jeder zweite Bezieher von Mindestsicherung.

Nun gilt es, auf die Details des türkis-blauen Vorschlags zu warten. Druck zu machen, um Deutsch zu lernen und möglichst schnell (wieder) auf eigenen Beinen zu stehen, sind berechtigte politische Ziele. Dafür muss der Staat aber auch die entsprechenden Hilfsangebote zur Verfügung stellen. Die Regierung redet derzeit aber nur über Ersteres.