Zum Hauptinhalt springen

"Es fehlt das Vertrauen in unsere Schulen"

Von Brigitte Pechar

Politik

Bildungsexpertin für Mindeststandards am Ende der Schulpflicht. | Zersplitterung des Schulsystems verhindert ein Bildungsziel. | Wien. Der österreichische Mister Pisa, Günter Haider, verweist auf eine Analyse des Bundesinstituts für Bildungsforschung, wonach die Motivation der österreichischen Schüler beim Pisa-Test nicht ausschlaggebend für das schlechte Abschneiden war. Die Schüler hätten den Test nicht mit weniger Anstrengung absolviert als sonstige Prüfungen. | Nicht genügend - setzen | Hoher Migrantenanteil keine Ausrede | Wir müssen unsere Lehrer wertschätzen | Wissen: Der Zehn-Punkte-Plan | Schweiz hat auf Pisa-Tests reagiert


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 14 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Für Bildungswissenschafterin Christa Koenne heißt das auch, dass sich Schüler in der Schule insgesamt wenig anstrengen. Und zwar unter anderem, weil es keinen gesellschaftlichen Konsens darüber gebe, dass das, was in der Schule gemacht werde, wichtig sei. "Schule ist ein Ort, von dem alle so schnell wie möglich wegrennen", sagt Koenne im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Was dort passiere, werde nicht geschätzt.

Die Bildungsexpertin, die selbst viele Jahre lang AHS-Direktorin war, nennt ein Beispiel für die geringe gesellschaftliche Wertschätzung der Schule: Früher habe die gesellschaftliche Oberschicht ihre Kinder in Internate gegeben, damit sie eine gute Ausbildung erhalten. Heute sei genau diese Oberschicht gegen Ganztagsschulen. Was in den Schulen passiert, werde gesellschaftlich nicht geschätzt, die Kinder würden sich daher auch nicht anstrengen. "Es fehlt das Vertrauen in die Schule", sagt Koenne.

Zersplittertes System

Ein zweiter wichtiger Aspekt, warum etwa finnische Kinder immer zu den besten Schülern zählten, sei die Tatsache, dass dort Mindestanforderungen erreicht werden müssten. In Finnland findet man die 15- und 16-Jährigen, die ja bei Pisa getestet werden, an jeder Schule des Landes.

In Österreich muss man sie suchen: Als Repetenten in den Hauptschulen, im Polytechnischen Lehrgang, in Berufsschulen, als Repetenten in den AHS-Unterstufen, in den AHS-Oberstufen, in der HAK, in der Hasch. "Wir haben ein total zersplittertes Schulsystem, das eine gemeinsame Anstrengung nicht zulässt", kritisiert Koenne.

Es gebe kein wohldefiniertes Bildungsziel für das Ende der Schulpflicht. Es fehlten jegliche Vorgaben, was in der Zeit zwischen dem sechsten und dem 15. Lebensjahr erreicht werden soll. Für die AHS-Unterstufe gebe es überhaupt kein gemeinsames Bildungsziel, nicht einmal dafür vorbereitete Lehrer. Denn AHS-Lehrer, sagt Koenne, würden nur für die Oberstufe ausgebildet, für die Unterstufe heiße das dann Unterricht nach Oberstufe-light.

"Es fehlt ein gesellschaftlicher Minimalstandard, der am Ende der Schulpflicht erreicht werden muss. Und weil das System so zersplittert ist, gibt es auch keinen Ort, an dem das verhandelt werden kann", kritisiert Koenne. Sie sieht hier das Unterrichtsministerium gefordert. Wichtiger als Regelstandards (die derzeitigen Bildungsstandards) wären Mindeststandards.