Die Bildung einer italienischen Regierung gestaltet sich schwierig. Die Wirtschaft gibt sich betont entspannt.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 6 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Rom. Zwei Tage nach der Parlamentswahl in Italien gestaltet sich die Bildung einer Regierungsmehrheit wie erwartet schwierig. Die Fünf-Sterne-Bewegung, die am Sonntag rund 32 Prozent der Stimmen erreichte und als klarer Wahlsieger gilt, beansprucht ebenso wie die fremdenfeindliche Lega ein Mandat zur Bildung einer Exekutive, ohne dabei über die notwendigen Stimmen in beiden Parlamentskammern zu verfügen.
Während der Partei um Spitzenkandidat Luigi Di Maio im Abgeordnetenhaus etwa 90 und im Senat gut 40 Parlamentarier für die absolute Mehrheit fehlen, kommt auch das Mitte-rechtsBündnis unter Führung von Lega-Chef Matteo Salvini nicht alleine auf die notwendigen Mandate. Die Lega erreichte am Sonntag gut 17 Prozent der Stimmen und löste damit Silvio Berlusconis Forza Italia als Führungspartei in der Mitte-Rechts-Koalition ab. Forza Italia erreichte 14 Prozent der Stimmen, die Mitte-Rechts-Koalition kam auf rund 37 Prozent.
Mehrheit nicht in Sicht
Sowohl die Fünf-Sterne-Bewegung um ihren Gründer Beppe Grillo als auch die Lega forderten von Staatspräsident Sergio Mattarella das Mandat zur Bildung einer Exekutive. Wie eine Regierungsmehrheit zustande kommen soll, ist derzeit völlig unklar. Beobachtern zufolge gibt es mehr Möglichkeiten für Spitzenkandidat Di Maio und die Fünf-Sterne-Bewegung als für die Lega um Salvini. Die Fünf-Sterne-Partei hat potenziell zwei mögliche Partner, die Lega oder die Demokratische Partei, die mit 19 Prozent der Stimmen eindeutig zu den Verlierern der Wahl zählt.
In Rom gilt es jedoch als höchst unwahrscheinlich, dass ein Bündnis zwischen Fünf Sternen und Lega zustande kommt. Dazu müsste Lega-Chef Salvini als Juniorpartner in eine Allianz mit den Fünf Sternen einwilligen, deren Wähler tendenziell eher links orientiert sind. Den Wählern eine Partnerschaft mit der fremdenfeindlichen und teilweise rassistischen Lega zu vermitteln, wäre demnach die erste unüberwindbar scheinende Hürde.
Zum anderen gibt es für Lega-Chef Salvini wenige Anreize, als kleinerer Partner in eine Allianz mit den Grillini zu gehen. Die Lega hat bei der Wahl Berlusconis Forza Italia im konservativen Lager als stärkste Partei abgelöst und beansprucht nun die Führungsrolle in der Mitte-rechts-Allianz. Ginge Salvini in eine Regierung mit der Fünf-Sterne-Bewegung, würde er diese gerade erst errungene Vorherrschaft wieder aufgeben.
Die Verantwortlichen der Fünf-Sterne-Bewegung blicken daher vor allem auf die Demokratische Partei (PD) und ihren Vorsitzenden Matteo Renzi. Dieser hatte in einer Pressekonferenz am Montagabend seinen Rücktritt angekündigt, den er aber erst nach Zusammentreten der neu gewählten Parlamentskammern und Bildung der neuen Regierung wahr machen will. Renzi löste damit großen Unmut in der eigenen Partei aus. "Wenn eine Führungspersönlichkeit zurücktritt, ist das eine ernste Angelegenheit. Entweder man tritt zurück oder nicht", sagte Luigi Zanda, PD-Fraktionsvorsitzender im Senat.
Die Ankündigung Renzis wurde einhellig dahingehend interpretiert, dass der scheidende Parteichef eine Allianz seiner Partei mit der Fünf-Sterne-Bewegung verhindern wolle. "Sollen sie doch versuchen eine Regierung zu bilden, wir machen nicht mit", schrieb Parteichef Renzi am Dienstag auf Facebook. Im Wahlkampf seien er und seine Parteigenossen von den Führungspolitikern der Grillini als "Mafiosi" oder "Korrupte" bezeichnet worden. Die Konsequenz: "In den kommenden Jahren muss die Demokratische Partei in die Opposition gegen die Extremisten gehen."
Keine Angst vor "Grillini"
Vertreter der italienischen Wirtschaft zeigten sich unterdessen nicht alarmiert im Hinblick auf eine mögliche Regierung unter Führung der Fünf-Sterne-Bewegung. Diese sei "eine demokratische Partei und macht keine Angst", sagte der Vorsitzende des italienischen Industrieverbandes Confindustria, Vincenzo Boccia. Auch der Chef des Autokonzerns Fiat-Chrysler reagierte gelassen auf die Frage, ob er Angst vor den Grillini habe. "Es gab schon Schlimmeres", lautete Marchionnes lapidare Antwort.
Die deutsche Wirtschaft blickt indes mit großer Sorge auf die schwierige Regierungsbildung. "Mit dem Wahlausgang in Italien wird es für Europa nicht einfacher", so der Präsident des Außenhandelsverbandes BGA, Holger Bingmann. "Nicht nur, dass wir uns auf eine Hängepartie einstellen müssen und die unklaren Mehrheitsverhältnisse das Regieren schwierig machen werden", so der BGA-Präsident. Auch in Italien kämpften die Volksparteien mit der breiten Frustration der Wähler. "Große Reformen sind daher nicht zu erwarten."
Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) sieht das ähnlich: "In Europa stehen wichtige Weichenstellungen zur wirtschaftspolitischen Weiterentwicklung an", so Hauptgeschäftsführer Martin Wansleben. "Italien sollte sich daran konstruktiv beteiligen" - allen EU-kritischen Tendenzen zum Trotz.