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Bußjäger: Kraft für politische Innovation ging leider verloren. | "Das einseitige Länder-Bashing ist unangebracht." | "Wiener Zeitung": "Österreich ist ein Bundesstaat", heißt es in Artikel 2 Absatz 1 des Bundes-Verfassungsgesetzes. Derzeit allerdings steht der Föderalismus unter Dauerfeuer. Ist im Verhältnis zwischen Bund und Ländern nicht tatsächlich einiges aus dem Lot geraten? | Peter Bußjäger: Die konkrete Ausgestaltung des Föderalismus in Österreich lässt sicher zu wünschen übrig. Das beginnt damit, dass die Kompetenzen der Länder bei Gesetzgebung und Vollziehung relativ schwammig festgeschrieben sind. Das führt wiederum dazu, dass der Bundesrat nicht wirklich an der Gesetzgebung des Bundes mitwirkt...
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Ist das tatsächlich das wirkliche Problem des österreichischen Bundesstaats?
Es ist zumindest die verfassungsrechtliche Perspektive. In Österreich gibt es zweifellos bei Bund und Ländern eine abwechselnde Blockadehaltung in Reformfragen. Das einseitige Länder-Bashing der Medien ist deshalb unangebracht.
Dem steht der Vorwurf gegenüber, dass die Parteien den Föderalismus machtpolitisch missbrauchen.
Die Machtverhältnisse in den Ländern beruhen so wie im Bund auf freien Wahlen. Grundsätzlich sind die Länder, das zeigen sämtliche Umfragen, bei den Bürgern nicht schlecht angeschrieben, rangieren sie doch punkto Vertrauen regelmäßig vor dem Bund, allerdings hinter den Gemeinden.
Allerdings gibt es in den Ländern aufgrund gewachsener struktureller Mehrheiten ein massives Kontrolldefizit.
In Einzelfällen kann das durchaus sein, allerdings ist das eher ein gesamtösterreichisches, kein typisch föderalistisches Problem. Auch auf Bundesebene gibt es recht seltsame Karrieren. Insgesamt verfügen die Länder über ein ausgeprägtes Kontrollniveau, wenngleich es vor allem auf parlamentarischer Ebene zweifellos Defizite gibt. Das ist im Bund aber nicht viel anders.
Egal, ob es um Lehrer, Schule oder Spitäler geht: Warum mutiert jede Sachfrage automatisch zur Machtfrage im Verhältnis Bund-Ländern?
Alle föderalistischen Fragen sind am Ende auch Machtfragen, das lässt sich nicht vermeiden. Ich sehe das Problem derzeit eher darin, dass eine Vielzahl an Einzelvorschlägen in die Debatte geworfen werden. Dadurch ist der rote Faden für eine Gesamtreform der Verwaltung verloren gegangen. Was die Frage der Lehrerzuständigkeit angeht, so kann ich nichts Verwerfliches daran erkennen, diese bei den Ländern anzusiedeln, wenn sämtliche gesetzlichen Regelungen sowie die Besoldung beim Bund verbleiben.
Vielleicht die Sorge, dass dann in Wien ausschließlich rote und in Niederösterreich nur schwarze Parteigänger Anstellung finden?
Das ist ein berechtigtes Argument. Die Länder können hier aber nicht im rechtlosen Raum agieren, man kann gegen ungerechtfertigte Direktorenbestellungen bis vor den Verwaltungsgerichtshof gehen. Grundsätzlich will ich aber gar nicht abstreiten, dass es hier auch um Personalpolitik geht, ich bezweifle nur, ob das beim Bund so viel anders zugeht. Das ist schon ein bisschen so, als ob ein Esel zum anderen Langohr sagt.
Zurück zum Grundsätzlichen: Es ist unbestritten, dass Entscheidungen möglichst nah am Bürger getroffen werden sollen, aber brauchen die Länder tatsächlich eine eigene Gesetzgebung?
Ich bin überzeugt, dass ein eigenständiger Gestaltungsspielraum der Länder mehr Vor- als Nachteile hat, dazu braucht es die Gesetzgebungskompetenz. Hierin liegt die Kraft zur politischen Innovation, und auch die demokratische Beteiligung wird gefördert.
Können Sie Beispiele für die von Ihnen behauptete Innovationskraft nennen?
Bei den Pflegeheimen etwa hat der Föderalismus zu einem insgesamt höheren Standard geführt. Und ein Landesrechnungshof wurde vor 20 Jahren erstmals in der Steiermark eingeführt, heute gibt es einen solchen in jedem Bundesland.
Aber steht der enorme Kostenaufwand für diese doch recht bescheidene Innovationsbilanz?
Das Argument mit den Kosten ist so eine Sache. Hier wird viel verzerrt. Die wirklich großen Kostenapparate sind die Vollzugsorgane, die aber muss es geben, egal, auf welcher Ebene sie angesiedelt sind. Entscheidend ist Effizienz - und hier ist es sehr wohl möglich, dass zentralistische Lösungen höhere Vollzugskosten verursachen als föderalistische.
Müsste man nicht den österreichischen Föderalismus völlig neu denken, um die von Ihnen angesprochene Innovationskraft zu erlangen?
Die ist uns leider weitgehend abhanden gekommen. Die Frage ist nur, wer dafür verantwortlich ist. Es wird sie nicht überraschen, dass ich die föderale Struktur nicht in Frage stelle, sehr wohl kann man jedoch diskutieren, wie viele Bezirkshauptmannschaften tatsächlich notwendig sind. Auch im Bereich von Gemeindekooperationen besteht noch viel Spielraum. Leider ist die Debatte viel zu sehr auf die Oberfläche konzentriert. Die Verwaltung könnte effizienter arbeiten, wenn sie mehr Handlungsspielraum hätte, der Gesetzgeber sollte sich auf Steuerung und Kontrolle konzentrieren.
Und wie halten Sie es mit einer Abgabenhoheit für die Länder, um auch hier den Spardruck zu erhöhen?
Das wäre sicherlich ein innovatives Element, obwohl bei den Ländern diesbezüglich große Zurückhaltung herrscht. Ich würde den Ländern empfehlen, hier durchaus ein Verhandlungsangebot an den Bund zu legen. Dann wäre der Bund gezwungen, darauf konkret zu reagieren.
Zur Person
Peter Bußjäger, (47) ist Jurist und Direktor des Vorarlberger Landtages sowie des Instituts für Föderalismus.