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Es geht in erster Linie um die Transparenz

Von Alexander Prosser

Gastkommentare

Das deutsche Bundesverfassungsgericht hat bekanntlich am 3. März 2009 das E-Voting bei den Bundestagswahlen 2005 für rechtswidrig erklärt. Hauptgrund war die mangelnde Transparenz für die Wähler. Das Höchstgericht leitete den Grundsatz ab, dass alle Wähler zuverlässig nachvollziehen können müssen, ob ihre Stimme unverfälscht in das Ergebnis einging.


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Nun hat die ÖH-Bundeswahlkommission die elektronische Stimmabgabe via Internet bei den letzten ÖH-Wahlen an der Uni Wien aufgehoben. Hauptgrund waren offenbar fehlerhafte elektronische Stimmzettel. Vielfach wird dies als "menschliches Versagen" oder "Tippfehler" qualifiziert. Bei sorgfältiger Betrachtung jedoch handelt es sich hier genauso um eine Frage der Transparenz - in diesem Fall für die Wahlkommissionen. Bei konventionellen erstellt die Wahlkommission standardmäßig die Stimmzettel selbst beziehungsweise gibt sie frei. Dass bei den ÖH-Wahlen die elektronischen Stimmzettel falsch waren, lässt die logische Schlussfolgerung zu, dass die Wahlkommission sie vor dem Einsatz nie auch nur zu Gesicht bekam. Dies erhebt die Frage, wie weit sie überhaupt ins Wahlprocedere eingebunden war.

Der Leiter der ÖH-Bundeswahlkommission gab im "Standard" (24. Juni 2009) zu, man liefere sich bei E-Voting dem "Sachverstand der Techniker" aus, zumal eine erneute Stimmenauszählung "nicht mehr möglich" sei. Selbst bei größtem Vertrauen in die Techniker - es ist die Wahlkommission, die demokratisch legitimiert ist, den Wahlprozess tatsächlich zu leiten und nicht nur zu beobachten.

Dies führt zu konkreten Anforderungen an das eingesetzte Wahlsystem. Die Kommissionsmitglieder sollten alle Wahlparameter selbst eingeben, das elektronische Wählerverzeichnis laden und einsehen und abschließend alle Wahldaten prüfen und freigeben können. Danach sollte das System die Daten "versiegeln", etwa mittels digitaler Signatur.

Eine ähnliche direkte Kontrolle seitens der Kommission über das System sollte es auch bei der Ergebnisermittlung und allen anderen wichtigen Handlungen während der Wahl geben - inklusive Stimmennachzählung. Nur so wird die Wahlkommission selbst Herrin des Verfahrens auch im elektronischen Medium.

Dies setzt natürlich voraus, dass sie das Wahlsystem direkt und unmittelbar steuert. Für alle Eingaben sollte es eine einfach zu bedienende Standardsoftware geben. Anderswo ist dies selbstverständlich: Niemand käme auf die Idee, an betriebswirtschaftlicher Standardsoftware herumzudoktern, nur weil eine neue Kostenstelle benötigt wird.

Die jüngsten Ereignisse rund ums ÖH-Wahlexperiment führten zweifellos zu einem Vertrauensverlust. Dennoch kann die Online-Stimmabgabe eine demokratische Bereicherung bei der Distanzwahl sein, zumal sie wesentliche Sicherheitsvorteile gegenüber der Briefwahl bietet. Es wäre also an der Zeit, entsprechende Lehren zu ziehen und die Kontrolle auch beim elektronischen Urnengang den dafür Zuständigen zu geben: Wahlbehörden und Wählern.

Alexander Prosser ist Professor an der WU Wien.