Die "Wiener Zeitung", die nun von der Regierung liquidiert werden soll, erfüllt einen wichtigen öffentlichen Auftrag.
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Manche behaupten, es gäbe noch kein Konzept für die "Wiener Zeitung". Was für ein Irrtum. Das Gegenteil ist der Fall. Die Regierung hegt durchaus einen Plan für die Redaktion, der darin besteht, so zu tun, als wolle sie die "Wiener Zeitung" dadurch retten, indem sie das Blatt einfach liquidiert.
Aber die türkis-grüne Koalition will sich nicht damit begnügen, die Papierausgabe nur abzuschaffen, um sie im Schall und Rauch des Virtuellen aufzulösen. Vielmehr möchte sie das, was von der "Wiener Zeitung" übrig bleibt, dazu verdammen, zur reinen Lehrredaktion am Gängelband des Kanzleramts zu verkommen.
Ist das nicht praktisch? Es sieht aus, als zöge die Ministerin aus dem Vorwurf der Anzeigenkorruption die Lektion, das Organ der Republik kurzerhand zu einem fortlaufenden Regierungsinserat zu machen.
Es geht nicht nur um eine Zeitung. Die Einstellung der "Wiener Zeitung" spiegelt die Einstellung der Koalition zur Meinungsvielfalt wider. Die Regierung behauptet gerne, gegen die Hetze und die Lügen in den Sozialen Medien vorgehen zu wollen, aber mobil macht sie gegen einen Prototypen der freien Qualitätspresse und gegen die Öffentlich-Rechtlichen. Das Zeitungssterben wird in allen Sonntagsreden beklagt. Wer weiß nicht von den Lügen auf Twitter, Telegram und Facebook. Überall wird gegen Qualitätsmedien gehetzt, werden die Verdrehungen der Tatsachen zum besonderen Dreh autoritär rassistischer Populisten. Die Wirklichkeit soll durch schiere Wirkung ersetzt werden, weswegen es stört, wenn ein Medium das schwarz auf weiß feststellen kann - so wie die "Wiener Zeitung".
Es geht nicht nur um irgendeine Zeitung. Es geht um eine Stimme der Republik. Ein privater Zeitungsmacher mag sein Unternehmen abstellen oder führen, wie er eben will. Wenn im Boulevard gelogen wird wie gedruckt, lässt sich dagegen wenig ausrichten. Der freie Pressemarkt ist auch wichtig, um unabhängig von staatlicher Obrigkeit publizieren zu können, doch zugleich braucht es jene Medien, die eben nicht im Besitz des einen oder anderen Konzerns sind, sondern in einer wehrhaften Demokratie einen öffentlichen Auftrag zu erfüllen haben - wie etwa die "Wiener Zeitung", Ö1 oder FM4.
Die "Wiener Zeitung" ist nicht nur irgendeine Zeitung. Sie ist die älteste noch existierende Tageszeitung der Welt. Sie ist ein Kulturerbe. Einst dümpelten die großen Wiener Kaffeehäuser dahin, und viele wollten kaum noch einen Nutzen und Wert in ihnen sehen. Sie sollten eingehen, meinten nicht wenige. Heute sind sie Sehenswürdigkeiten für Unzählige, die aus allen Ländern nach Wien kommen.
Die "Wiener Zeitung" zu erhalten, ist ein Vermächtnis und eine Zukunftschance. Mit ihr kann die Republik neue Modelle für eine freie Presse entwickeln. Deshalb darf die "Wiener Zeitung" nicht verschwinden.