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"Es geht nicht ums Missionieren"

Von Toumaj Khakpour

Politik

In Österreich leben mehr als 1300 Bahai, einige stammen aus dem Iran.


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Wien. Obwohl die Religionsgemeinschaft der Bahai eine vergleichsweise kleine Gemeinde ist - sie umfasst kaum mehr als 1300 Mitglieder in Österreich - kann sie hierzulande auf eine lange Tradition zurückblicken. Der erste Kontakt zu Österreich geht auf das Jahr 1911 zurück: Damals siedelte sich die erste Bahai-Familie aus dem Iran in Wien an. Zwei Jahre später bekam die Glaubensgemeinschaft mit dem hohen Besuch von Abdul-Baha (1844-1921) einen festen Stellenwert. Abdul-Baha war Nachfolger und ältester Sohn des Bahai-Religionsstifters Baha-ullah (1817-1892).

Abdul-Baha bereiste damals Europa und Nordamerika. "Er wollte die Religion in die Welt hinaustragen", erzählt Alex Käfer, Autor eines Buchs über die Geschichte der österreichischen Bahai-Gemeinde. Schlagzeilen wie "ein Lehrer des Weltfriedens" begleiteten Abdul-Baha dabei. "Mit seinem historischen Besuch in Wien legte er das geistige Fundament für die Entfaltung des Bahai-Glaubens in Österreich. Heute erfreuen wir uns in Österreich einer großen Wertschätzung - das fällt angenehm auf." Alex Käfer ist seit 1960 Mitglied der Bahai.

Die ersten Bahai-Gemeinden wurden in Wien und St. Veit/Glan gegründet. Nach schwierigen Kriegsjahren, Verboten und Ermordungen während der NS-Diktatur, konnte sich die junge Glaubensgemeinschaft nach und nach wieder selbst aufbauen. Im Jahr 1948 wurde der örtliche Geistige Rat in Wien wieder eingerichtet. Es folgten weitere lokale Räte, sowie Ausstellungen und Konferenzen zur Bahai-Thematik bis das Bahaitum schließlich im Jahr 1998 als Bekenntnisgemeinschaft staatlich anerkannt wurde.

Freilich: Bekenntnisgemeinschaften haben in Österreich nicht dieselben Privilegien wie gesetzlich anerkannte Religionsgemeinschaften: Das Recht auf Errichtung konfessioneller Privatschulen und die Erteilung des Religionsunterrichts fehlt ihnen. "Wir erfahren viel Anerkennung. Wir klagen nicht an. Aber: Es ist nicht ganz gerecht, dass wir trotz unserer langen Geschichte als Bekenntnisgemeinschaft eingetragen sind", meint Otti Käfer, die Ehefrau von Alex Käfer. Um Religionsgemeinschaft zu werden, bräuchten die Bahai mehr Mitglieder. "Wir gehen den geistigen Weg mit praktischen Füßen, das Tun ist uns viel wichtiger - alles andere ergibt sich mit der Zeit von selbst", betont Otti Käfer.

15 bis 20 Prozent der österreichischen Bahai haben iranische Wurzeln. Die Gemeinschaft umfasst ebenso Ur-Burgenländer, es leben sogar Bahai im Zillertal. Viele Österreicher der Gemeinde waren vorher Christen. Alex Käfer etwa war evangelisch und ist in den 60ern durch einen iranischen Bekannten zum Bahaitum konvertiert.

Heute konzentriert sich die Gemeinde besonders auf soziale Projekte, wie die Nachbarschaftskinderklassen, die von örtlichen Bahai-Gemeinden in ganz Österreich veranstaltet werden. Dabei initiieren Bahai-Familien kostenlos und ehrenamtlich Klassen, in die Menschen aus der Umgebung eingeladen sind. "In diesen Klassen werden von Bahai-Familien Werte wie Wahrhaftigkeit, Aufrichtigkeit und charakterliche Tugenden weitergegeben. Sie können von allen Menschen mit und ohne religiöse Zugehörigkeit besucht werden", erzählt Alex Käfer. Alle Feste, Veranstaltungen und Seminare sind öffentlich und kostenlos. Bei den Bahai gebe es kein "Wir und die anderen", sagt Otti Käfer, sondern nur ein Miteinander.

Ein weiteres Wiener Projekt wird von einer Studentin geleitet: Sie bietet in ihrem Grätzel vor allem bedürftigen afghanischen Familien und deren Kindern kostenlosen Unterricht an. Inhaltlich beschäftigen sich die Lerneinheiten mit der Verbesserung von Deutschkenntnissen und dem Abbau von Vorurteilen, um somit die "Vielfalt der Menschheitsfamilie" besser verstehen zu können. "Die Werte des menschlichen Zusammenlebens sind uns besonders wichtig", unterstreicht der studierte Arabist Käfer. In der Bahai-Religion ginge es vordergründig mehr um Werte, die Religion könnte dabei auch im Hintergrund wirken: "Es geht uns nicht ums Missionieren." Die Bahai-Religion besitze deutliche Anknüpfungspunkte zu anderen Religionen und möchte verbinden.

Rasche Verbreitung weltweit

International betrachtet verbucht der Bahai-Glaube regen Zulauf: Bis dato hat er fünf Millionen Anhänger in 218 Ländern. Die meisten stammen aus Indien, Afrika südlich der Sahara, sowie Nord- und Südamerika. Der Abstand zur "göttlichen Offenbarung" liegt nicht weit zurück: Sie wurde 1844 in Teheran von dem Vorläufer des Propheten Baha-ullah, dem "Bab" (1819-1850), ausgerufen. Heute leben 300.000 Bahai im Iran. Sie sind die größte nicht-muslimische Minderheit im Land.

Der Bahai-Glaube versteht sich als soziale Alternative. "Hunderte Projekte, besonders in Lateinamerika, haben dazu geführt, dass Menschen ihr Leben besser gestalten können. Gerade in Entwicklungsländern, wo es an sozialen Strukturen fehlt, wollen wir helfen", bekundet Alex Käfer. Die "Bahai International Community" betreut weltweit mehr als 1700 Entwicklungsprojekte und rund 350 Schulen.

Das spirituelle Zentrum des Bahaitum liegt in Haifa, einer Küstenstadt in der Nähe von Tel Aviv. Israel war die letzte Station des iranischstämmigen Religionsstifters Baha-ullah, der nach 40 Jahren Verfolgung nach Akkon im Norden des Landes gelangte und dort in der Nähe 1892 verstarb. Somit entstand auch dort der Schrein des Baha-ullah. Ein weiterer entstand in Haifa und soll an den "Wegbereiter" des Propheten, den "Bab", erinnern. Die Bahai haben einen eigenen Kalender, der aus 19 Monaten zu je 19 Tagen besteht. Der letzte Monat ist Gedenk- und Fastenmonat.