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"Es geht um die Ideologien dahinter"

Von Walter Hämmerle

Politik

Was unterscheidet Haider, Strache von Lafontaine? | Hentges: Links- und Rechtspopulismus nicht zwei Seiten einer Medaille.


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"Wiener Zeitung": Was unterscheidet eigentlich Jörg Haider und Heinz-Christian Strache von Oskar Lafontaine, dem ehemaligen SPD-Chef und nunmehrigen Fraktionsschef der Linkspartei?Gudrun Hentges: Bevor ich die Frage beantworte, möchte ich kurz den Begriff Rechtspopulismus definieren. Dabei geht es um Abgrenzung von Fremdgruppen bei gleichzeitiger Konzentration auf die eigene Gruppe. Gleichzeitig besteht ein hohes Maß an Autoritarismus, der bis zum Militarismus gehen kann. In der Praxis schaut das so aus, dass sich rechtspopulistische Parteien stets nach zwei Seiten hin abgrenzen: zum einen nach oben, von den etablierten Eliten, zum anderen von Zuwanderern.

Und wie ist das jetzt mit Haider, Strache und Lafontaine?

Es gibt zweifellos Überschneidungen, aber bei Lafontaine ist die Abgrenzung von Fremden sicher nicht in diesem Ausmaß gegeben. Von daher bin ich kein Anhänger der These, dass Links- und Rechtspopulismus zwei Seiten der selben Medaille sind.

Allerdings hat Lafontaine im letzten Wahlkampf bewusst um rechte Stimmen gebuhlt, als er vor "Fremdarbeitern" warnte, die Inländern zu Billiglöhnen die Arbeitsplätze wegnehmen - rechtspopulistische Rhetorik in Reinkultur.

Das war problematisch, Politiker sollten auf ihr Vokabular achten. Ich kann aber bei der Linkspartei keine ausländerfeindlichen Tendenz feststellen. Auch beim Populismus geht es um die Ideologie dahinter: Soziale Solidarität beim Linkspopulismus, Ausländerfeindlichkeit beim Rechtspopulismus.

Warum gibt es in Deutschland keine rechtspopulistische Partei wie die FPÖ?

Das hängt sicherlich mit der besonderen deutschen Parteiengeschichte zusammen, wo das Aufkommen rechter Randparteien stets zu Gegenbewegungen der anderen Parteien geführt hat. Zudem ist die Sensibilität gegenüber der NS-Vergangenheit in Deutschland sicher stärker.

CDU und vor allem die bayrische CSU haben aber auch stets darauf geachtet, dass rechts von ihnen keine Partei hochkommt. Ist dieses bewusste Werben um Wähler am rechten Rand legitim oder moralisch verwerflich?

Aus Sicht der großen Parteien ist das sicherlich nachvollziehbar, ich halte es aber für ein gefährliches Spiel. Wenn dieses Werben systematisch stattfindet, bereitet man dadurch automatisch den Boden für diese Ideologien auf. Die Bedienung von antisemitischen oder ausländerfeindlichen Ressentiments durch die Großen macht diese Ideen hoffähig. Das könnte zu einer Entwicklung führen, wo die Wähler sagen, "dann wähle ich statt der Kopie gleich das Original". Jenseits aller moralischen Bewertungen ist das aber eine Frage des persönlichen Verantwortungsbewusstseins jedes Politikers.

In Österreich hat sich die Situation rund um die FPÖ normalisiert: Die SPÖ ist von ihrer Ausgrenzung abgerückt, nur noch die Grünen lehnen eine Zusammenarbeit kategorisch ab. Ist die Ausgrenzung von rechtspopulistischen Parteien der richtige Weg, um sie zu bekämpfen?

Ich bin kein Exprte für die österreichische Innenpolitik. Für Deutschland bin ich der Ansicht, dass keine Rechtspopulisten in die Regierung kommen sollten. Aber das ist eine sehr komplexe Frage. Die FPÖ wurde durch die Regierungsbeteiligung zweifellos entzaubert. Mitunter kann es auch sein, dass Ausgrenzung nur ein Ausdruck politischer Hilflosigkeit ist. Man muss diese Parteien inhaltlich bekämpfen.

Manchmal gewinnt man den Eindruck, der Kampf gegen Rechts ist eine Pose, mit der sich politisch gut leben lässt.

Studien zeigen, dass Haltungen wie Ausländerfeindlichkeit oder Aotoritarismus in der Bevölkerung noch immer sehr weit verbreitet sind. Hier die richtigen Strategien dagegen zu entwickeln, ist eine wichtige Zukunftsfrage. Was ich allerdings nicht ausschließen möchte ist, dass es bestimmte Regionen gibt, in denen bestimmte Parteien Rechtsextremismus zum Thema machen, um selbst davon zu profitieren und weil sie keine eigenen Themen haben.