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Es gibt Alternativen zum Krieg

Von Heinz Gärtner

Gastkommentare
Heinz Gärtner ist Lektor an den Universitäten Wien und Krems. Er ist Vorsitzender des Beirates des International Institute for Peace (IIP) in Wien sowie des Beirates Strategie und Sicherheit der Wissenschaftskommission des Österreichischen Bundesheeres. Er war langjähriger wissenschaftlicher Direktor des Österreichischen Instituts für Internationale Politik und an den Universitäten Stanford, Oxford, Johns Hopkins in Washington und in Deutschland tätig.
© IIP

Massaker in einem Krieg rechtfertigen nicht Massaker in einem anderen.


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Das Massaker von Butscha hat der Welt einmal mehr die Grausamkeiten des Krieges vor Augen geführt. Wahrscheinlich ist es nur die Spitze des Eisberges. In Kriegen gibt es Gräueltaten, von denen wenige in die Öffentlichkeit gelangen. Dass der Kreml nun verneint, leugnet und von Fälschung spricht, war zu erwarten. Kriegsparteien, die Verbrechen wie dieses begehen, tun das.

Der Stratege und Kriegstheoretiker Carl von Clausewitz (1780 bis 1831) stellte nach den napoleonischen Kriegen fest, dass "der Krieg keine Ruhe findet, bis er am Äußersten angelangt ist". Das schließt die Tötung von Zivilisten und Vergewaltigungen mit ein. Clausewitz zufolge findet der Krieg erst Ruhe, wenn der Gegner absolut niedergeworfen ist oder es Friedensschlüsse gibt.

Massaker in einem Krieg rechtfertigen nicht die Massaker in einem anderen. Sie sind nicht in den Genen eines Volkes, sondern in den Genen des Krieges. Wenigen ist das Blutbad von My Lai von 1968 während des Vietnam-Krieges in Erinnerung, bei dem die US-Armee 504 Zivilisten töteten. Die USA versuchten den Vorfall zu vertuschen, der erst durch den Investigativjournalisten Seymour Hersh ans Licht kam. Nur der hauptverantwortliche US-Offizier William Calley war vier Jahre in Hausarrest, ehe Präsident Richard Nixon ihn begnadigte. Die Tötungen von Zivilisten im Irak und in Afghanistan waren nicht bloß Nebenprodukte dieser Kriege, wie die veröffentlichten Bilder von Wikileaks zeigten. Der aktuelle Krieg im Jemen, der mit Waffenlieferungen des Westens ständig am Leben gehalten wird, fordert zehntausende zivile Todesopfer. Im Tschetschenien-Krieg nach 1999 vernichteten russische Truppen die Stadt Grosny ohne Rücksicht auf die Bevölkerung. Nicht zu vergessen die Kolonialkriege wie der Algerien-Krieg. Nur die Beendigung von Kriegen kann auch die Massaker beenden.

"Es gibt keine Alternative zum Krieg" - dieser Satz klingt zynisch angesichts der Bilder aus Butscha. Vorschläge für den Frieden werden oft so lange als unrealistisch dargestellt, bis nur die Fortsetzung eines grausamen Krieges bleibt. Für einen Friedenschluss muss ein Gegner nicht wehrlos gemacht oder niedergeworfen werden, wie Clausewitz feststellte. So scheint eine Neutralität der Ukraine eine tragbare Basis für eine Friedenslösung zu sein. Schon tauchen die Forderungen nach hundertprozentigen militärischen Sicherheitsgarantien durch Nato-Staaten auf, die diese freilich nicht geben werden. Es gibt keine vollständige Garantie dafür, dass Großmächte Abkommen und Völkerrecht einhalten, wie die einseitige Aufkündigung des Atomabkommen mit dem Iran durch den damaligen US-Präsidenten Donald Trumps zeigte, wodurch er die Golfregion an den Rand des Krieges brachte.

Ein neutraler Status kann aber an sich eine Garantie sein. Daher ist es für neutrale Staaten wichtig, auch in Friedenszeiten glaubwürdig stets auf ihren Status hinzuweisen und zu bekunden, dass sie im Krieg neutral bleiben und keinem Bündnis betreten würden. Historisch gesehen wurde eine etablierte Neutralität immer dann militärisch verletzt, wenn auch Bündnismitglieder angegriffen wurden, wie es im Ersten und Zweiten Weltkrieg der Fall war.

Es gibt jedenfalls sehr wohl Alternativen zum Krieg.