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"Es gibt Bedarf auf Einnahmenseite"

Von Veronika Gasser

Politik

Im Zentrum politischer Debatten stehen immer wieder Überlegungen über die "Treffsicherheit" von Sozialleistungen. Zum Thema gab es ein Expertentreffen mit 20 Teilnehmern u. a. von Industriellenvereinigung, Wirtschaftsbund, Arbeiterkammer, Caritas, Evangelischer Diakonie und Wifo.


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Der Sozialrechtler Wolfgang Mazal muss nun bis zum 4. Juli eine Zusammenschau der unterschiedlichen Standpunkte den Sozialexperten vorlegen.

"Man kann die Treffsicherheit statistisch erhöhen, ohne die Armut zu verringern", kritisiert Martin Schenk, Sozialexperte der Diakonie den einseitigen Vorstoss der Industriellenvereinigung, nur bei der Ausgabenseite zu kürzen. "Alle Studien zeigen, dass jene Staaten mit hoher Treffsicherheit gleichzeitig die höchste Armutsquote aufweisen. Staaten mit egalitärem Sozialsystem haben weniger Arme". Wenn bei Sozialleistungen für Vermögende gespart wird, die Mittel aber nicht an sozial Schwache umverteilt werden, so fehlt der soziale Effekt. "Es wäre wichtig, auch über eine Reform bei den Einnahmen nachzudenken", betont Michael Chalupka, Leiter der Diakonie, "hätte der Staat nicht auf Einnahmen, wie etwa die Vermögenssteuer verzichtet, so gäbe es kein Budgetproblem". Er verweist darauf, dass Österreich ein Schlusslicht bei der Vermögensbesteuerung ist. Andererseits sollen auch Wohlhabende vom Sozialsystem profitieren, sonst sind sie nicht bereit, einen Beitrag zu leisten.

"Das Wort Treffsicherheit kommt aus der residualen Wohlfahrtspolitik", erläutert Alois Guger vom Wifo, "das Modell existiert in den USA und Australien. Der Empfänger von Sozialleistungen wird durch diese Regelung stark stigmatisiert". Auch Guger glaubt, dass mit der Schaffung der Privatstiftungen dem Staat wichtige Einnahmequellen verloren gingen: "Es gibt Bedarf auf der Einnahmenseite. Jene die eine höhere Leistungskraft haben, sollen mehr zum Sozialsystem beitragen".

Besonders problematisch sieht Werner Bachstein, Caritas, die Debatte um Sozialmissbrauch: "Dieser wird nur sozial Schwachen unterstellt". Caritas und Diakonie fordern sogar einen besseren Ausbau des Sozialnetzes für Erwerbslose, Zuwanderer und Alleinerzieherinnen.