Am Freitag wollen die Staatsverweigerer des "Staatenbund Österreich" in Graz eine "Gerichtsverhandlung" abhalten.
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Graz. Es ist die weitaus größte Gruppe innerhalb der österreichischen Staatsverweigerer-Szene: der "Staatenbund Österreich" der steirischen Ex-FPÖ-Lokalpolitikerin Monika Unger. Rund 300 Anhänger, "Souveräne", wie sie sich selbst nennen, hat Unger bereits um sich geschart, schätzt der Tiroler Blogger und Szene-Experte Dietmar Mühlböck. Sie alle lehnen die Republik Österreich, ihre Gesetze und Institutionen, ab. Unger tingelt durch die Bundesländer, auf ihren Vorträgen können Interessenten - gegen Gebühr - sogleich eine "Lebenderklärung" ausfüllen und unterzeichnen. Damit, so denken die Staatsverweigerer, sind sie aus der "Firma Österreich" ausgetreten.
Im Gegensatz zu den selbsternannten "Sheriffs" des Pseudo-Gerichtshofs "ICCJV" ("International Common Law Court of Justice"), deren führende Mitglieder vergangene Woche in Krems nicht rechtskräftig wegen schwerer Nötigung und Amtsanmaßung verurteilt worden waren (die "Wiener Zeitung" berichtete), setzt Unger auf eine mitgliederstarke Organisation. Vor allem Personen aus der Esoterikszene, von denen nicht wenige existenzielle finanzielle Probleme haben, sammeln sich um die Steirerin, weiß Ulrike Schiesser von der Bundesstelle für Sektenfragen.
An Radikalität sind "ICCJV" und "Staatenbund" nicht zu vergleichen. Dennoch stehen auch Ungers Anhänger im Fokus von Justiz und Exekutive - und umgekehrt.
"Wir sind der neue Gesetzgeber"
Die Urteile gegen die radikalen "ICCJV"-Mitglieder dürften Unger nicht sonderlich beeindruckt haben. Eher im Gegenteil. Am 21. April plant der "Staatenbund Österreich", ein eigenes "Völkerrechtsgericht" in Graz abzuhalten. Hiefür sollen Verhandlungsräumlichkeiten des Grazer Landesgerichts quasi beschlagnahmt werden. "Vorladungen" an die "Beschuldigten" - Polizisten, Richter, Sachwalter sowie Gerichtsvollzieher, die an einer Delogierung eines Staatenbund-Anhängers beteiligt waren - hat Unger bereits verschickt. Vorladen soll die "Angeklagten" das Bundesheer, die einzige staatliche Organisation, die Unger akzeptiert.
In einem Video, das der "Wiener Zeitung" zugespielt wurde, fordert Unger Gerechtigkeit für das Unrecht, das die "Firma Österreich" den "Staatenbündlern" angetan habe. Auch auf den "ICCJV"-Prozess in Krems nimmt sie Bezug. Dieser sei quasi nichtig, "weil es ja in Österreich ja keine staatlichen Richter gibt". Die strafrechtlichen Konsequenzen des "ICCJV"-Fantasieprozesses in Hollenbach, die Räumung des Staatsverweigerer-Treffens auf dem Grundstück von Michaela W. im Sommer 2014 in Hollenbach durch die Polizei hätten nur gezeigt, dass das System am Ende sei: "Wir sind der neue Gesetzgeber in Österreich. Ob sie es wahrhaben wollen oder nicht."
Dabei, ergeht sich Unger in ihrem Vortrag, könne der Staat froh sein, dass er es mit "souveränen Menschen" zu tun habe: "Denn wenn sie an andere Menschen kommen, die nicht das Bewusstsein haben von uns, dann dürfen sie sich auch nicht wundern, wenn sie dann ein Blutbad provozieren." Und: "Wenn ein Mensch nichts mehr zu verlieren hat, dann darf man sich nicht wundern, wenn er auszuckt."
Sind die "Staatenbündler" gefährlich? Nein, sagt Experte Mühlböck. "Papierterroristen" nennt er die Mitglieder der Gruppierung, weil auch sie Behörden mit Schriftstücken überschütten.
Ist Unger also einfach nur eine Spinnerin? Aus der Distanz sei das schwer einzuschätzen, meint Ulrike Schiesser. Dagegen spreche jedenfalls einiges: Ungers recht elaborierte, wenn auch bodenständige Rhetorik zum Beispiel. Diese wisse Unger sehr gut zu nutzen.
Hetze gegen Sachwalter
Im Gegensatz zu Anhängern der OPPT-Bewegung, die Behördenvertreter in das öffentliche Schuldenregister UCC eintragen, verzichtet Unger auf pseudojuristisches Geschwurbel. In ihren Reden setzt Unger geschickt rhetorische Pointen, ihre Argumentation ist bisweilen perfide. Sie weiß genau, was ihre Anhänger hören wollen.
"Es ist die Mischung aus Bodenständigkeit, einer mütterlich wirkenden Persönlichkeit und einer harten Entschlossenheit, die ihre Anhänger begeistert. Genau das, was Sympathisanten der Staatsverweigerer an Persönlichkeiten aus der Politik vermissen würden. Unger geht es tatsächlich um eine politische Idee, die sie beinhart durchzusetzen versucht - mit allen für sie negativen Konsequenzen. Ungers Hetze gegen das österreichische System der Sachwalterschaft verweise jedenfalls darauf, dass einige ihrer Anhänger selbst von einer solchen betroffen seien, sagt Schiesser.
Aus einem der "Wiener Zeitung" vorliegenden Beschluss geht jedenfalls hervor, dass Unger selbst im Frühjahr 2015 zumindest kurzzeitig verfahrensbesachwaltet worden war. Der Hintergrund ist unklar.
Nach wie vor ermittelt die Staatsanwaltschaft Graz gegen Unger und 82 weitere "Staatenbündler" - wegen des Verdachts der staatsfeindlichen Verbindung.