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"Es gibt Raum für ganz neue Player"

Von Teresa Reiter

Politik
Bei neuen Umwelttechnologien ist auch die öffentliche Hand gefordert, meint Veugelers.
© Reiter

Expertin Veugelers über die Zukunftschancen von Green Growth.


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"Wiener Zeitung": Sie sagen immer wieder, dass Innovation der Schlüssel für eine funktionale grüne Wirtschaft in der Zukunft ist. Doch weniger als fünf Prozent aller Patente weltweit haben mit Umwelttechnologie zu tun, viele davon kommen aus Japan ... Reinhilde Veugelers: Ich glaube, der Grund dafür ist ein hoher Grad an Spezialisierung. Japan ist gut in bestimmten Teilbereichen, wie etwa Energietechnik, speziell Solarenergie. Die Japaner haben sich Bereiche ausgesucht, die schon gut erforscht und auf Vorhandenem aufgebaut sind. Sie sind nicht besonders aktiv in Bereichen, die sich noch im Frühstadium befinden. Ein anderer großer Erfolgsfaktor sind riesige Summen staatlicher Förderung, die in Japan für grüne Innovation aufgebracht werden, und zwar regelmäßig.

Japan ist also in gewisser Hinsicht ein Vorbild auf diesem Gebiet?

Es ist sehr schwer zu sagen, wie sich Japans Investitionen in der Zukunft auswirken werden. Im Bereich CO2-Preise werden zum Beispiel nur wenige Anreize geschaffen. Außerdem ist die Verbindung zwischen Industrie und Wissenschaft nicht sehr stark. Es ist nicht gesagt, dass Japan immer eine dominante Position im Bereich grüne Energie haben wird.

Wird der Technologie-Aspekt in der Debatte unterschätzt?

Spricht man über Green Growth, so geht es immer wieder um Technologien, aber das konzentriert sich immer darauf, wie wir bereits zur Verfügung stehende Technologien besser nutzen können. Stattdessen müssten wir sicherstellen, dass wir genug in die Technologien der Zukunft investieren. Was immer noch zu wenig betont wird, ist der Bedarf an Innovation. Speziell dieser Bereich braucht alle Regierungsunterstützung, die er bekommen kann. Wenn neue mit etablieren Technologienkonkurrieren müssen, verlieren sie das Rennen sehr oft. Wenn man außerdem eine spezielle Technologie besonders stark unterstützt, weil man da schon einen etablierten Player hat, den man unterstützen will, dann ist das sehr schlecht für alle anderen. Die Mittel müssen besser verteilt werden.

Ist die Beschäftigung mit Green Growth ein Privileg reicher Länder?

Wenn man nur auf etablierte Technologien schaut, dann sieht man oft dieselben Industrieländer, die sich auf dem Bereich starkmachen. Aber bei den wirklich neuen Ideen ist das anders. China etwa war nicht stark im Green-Growth-Bereich, aber die Chinesen machen große Fortschritte. Ich glaube, weil wir hier von radikal neuen Technologien sprechen, gibt es auch Raum für ganz neue Player.

Viele Basistechnologien im Umweltbereich sind an sehr teure Patente geknüpft und können auf diese Weise wohl nicht von armen Ländern verwendet werden ...

Auf einer Seite muss man sicherstellen, dass es genug Eigentumsrechte gibt, aus denen die Leute, die in der Forschung und Entwicklung tätig sind, wertschöpfen können. Eine weitere Streuung ist aber sehr wichtig. Die Struktur des Patentrechts an sich ist nicht schlecht. Wesentlich ist aber die Durchsetzung. Wer sagt, dass eine Firma auch die Kapazitäten hat, ihr Patent-Portfolio richtig zu managen und ihre Patentrechte zu schützen? Aber grundsätzlich glaube ich nicht, dass das Patentrecht im Bereich Green Growth adaptiert oder geändert werden sollte.

Viele UN-Mitglieder scheinen nicht überzeugt, dass die Begriffe "grün" und "Wirtschaft" sehr gut zusammenpassen. Sie scheinen zu denken, dass Green Growth die Einstellung allen Wachstums bedeutet. Wie kann man ihnen klarmachen, dass grüne Wirtschaft eigentlich profitabel sein kann?

Grüne Innovation ist etwas, das gut in eine allgemeinere Strategie von Innovation passt. Nur der grüne Teil allein reicht nicht. Green Growth sollte Teil einer fortwährenden Innovationsstrategie sein, die darauf abzielt, den Konsumenten der Zukunft und den Arbeiter der Zukunft zufriedenzustellen. Konsumenten verändern sich, und sie wollen umweltfreundlichere Produkte, das ist ein wichtiger Treiber hier. Viele Unternehmen orientieren sich deshalb langsam um.

Sollten die EU-Länder mittels Regulierungen stärker in den Markt eingreifen, um Firmen zu mehr Umweltfreundlichkeit zu drängen?

Im Bereich Energie und Umwelt werden Probleme nicht ohne Regierungseinmischung gelöst werden. Der Grund dafür ist vor allem, dass neue Technologien, die noch nicht in alle Systeme der Wirtschaft eingebettet sind, immer mit alten und unsauberen Technologien konkurrieren müssen. Um diese alten Abhängigkeiten zu zerstören und ein neues System zu entwerfen, braucht es Regierungsintervention.

Geht es dabei vorwiegend um CO2-Emissionsbesteuerung?

Es ist wichtig, viele Instrumente gleichzeitig zu verwenden. Es geht hier nicht nur um Problemlösung. Wenn man zum Beispiel nur auf staatliche Subventionen baut, dann wird das schnell sehr teuer. Aber auch CO2-Preispolitik allein ist nicht genug. Beide Instrumente müssen sich ergänzen.

Investoren hassen Regulierungen.

Was wir aus der Vergangenheit wissen, ist, dass die Privatwirtschaft auf Regulierungen reagiert und diese daher funktionieren. Wir sehen aber speziell im Energiesektor, dass solche Regulierungen oft auch aus freiwilligen Übereinkünften entstehen. Die Unternehmen müssen eingebunden werden.

Was muss generell getan werden, um Green Growth zu stärken?

Ich glaube, die Frage ist, wie wir den privatwirtschaftlichen Sektor motivieren können. In Europa heißt das vor allem Finanzmarktregulierungen, die sich dann in weiterer Folge auch auf den Bereich Green Growth auswirken würden. Was wir von vor der Finanzkrise wissen, ist, dass grüne Technologien ein attraktiver Bereich für Investitionen war. Die Privatwirtschaft braucht starke Signale vom öffentlichen Sektor, damit sie zu diesen Investitionen zurückkehrt, CO2-Preise sind da ein Thema, aber eben auch Finanzmarktregulierungen.

Zur Person

Reinhilde Veugelers

ist Professorin für Innovation an der Universität von Leuven. Sie ist Mitglied der Innovation4Growth-Expertengruppe, die den EU-Kommissar für Forschung und Innovation berät.