Zum Hauptinhalt springen

Es gibt sie doch, die unsichtbare Hand

Von Walter Hämmerle

Kommentare

Auf wunderbare Weise haben praktisch alle 2100 Gemeinden am 4. Dezember einen Pendelschlag in die gleiche Richtung erlebt.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 7 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Die Idee von den unsichtbaren Händen oder Kräften, die unser Verhalten mit klaren Vorgaben lenken, haben schon bessere Zeiten gesehen. Metaphysik hat in unseren aufgeklärten Zeiten sowieso einen schweren Stand, und die Sache mit dem freien Markt klingt für nicht wenige sogar noch abwegiger.

Und mitten in diese Phalanx der Zweifler stößt nun die Wiederholung der Stichwahl für den Bundespräsidenten und belehrt die Skeptiker eines Besseren. Was, so ehrlich sollte man schon sein, das Verdikt des Verfassungsgerichtshofs, welches diese Wiederholung erst möglich gemacht hat, in ein ganz anderes, besseres Licht taucht. Aber hinterher wissen es eh alle immer besser.

Um das Ereignis richtig zu würdigen, muss man sich noch einmal die Statistik vor Augen führen: 2100 Gemeinden gibt es in Österreich, und die Unterschiede sind, jetzt bildlich gesprochen, so zahlreich wie die Sterne am Himmel. Es gibt sehr viele sehr kleine, viele kleine, einige mittelgroße und wenige große Gemeinden. Es gibt Kommunen, die sind arm wie Kirchenmäuse, und einige, die sitzen auf Säcken von Geld. Es gibt welche mit vielen alten und wenigen jungen Bewohnern, solche mit vielen und andere mit wenigen Ausländern und einige haben sogar gar keine. Und so weiter und so fort.

Und trotz all dieser mannigfaltigen Unterschiede ist etwas sehr, sehr Unwahrscheinliches passiert: Diese 2100 Gemeinden haben am 4. Dezember fast alle einen Schritt in die gleiche Richtung gemacht. Wie von einer unsichtbaren Hand gesteuert, bescherten die Wahlberechtigten - im Vergleich zur aufgehobenen Stichwahl vom 22. Mai - Alexander Van der Bellen praktisch lückenlos ein Plus. Nur eine Handvoll Kommunen votierte gegen diesen überwältigenden Trend und hat Norbert Hofer einen Stimmenzuwachs beschert: Gramais in Tirol, Puchenstuben im Bezirk Scheibbs in Niederösterreich und Kleinmürbisch im burgenländischen Bezirk Güssing.

Dieser an der Grenze zum Fantastischen anmutende Gleichschritt geschah nicht bei einem Ereignis, bei dem sich im Vorhinein ohnehin alle einig waren, wie es ausgeht. Ein Sieg Hofers schien nicht unwahrscheinlich, die Buchmacher hatten den FPÖ-Kandidaten sogar bis zuletzt deutlich voran. Zumal in den letzten Monaten und Wochen auch noch viel von einem gespaltenen Land und den abgeschotteten Kommunikationsblasen der Van-der-
Bellen- und Hofer-Wähler die Rede war.

Der synchrone Pendelschlag nach links (oder jedenfalls gegen Rechtsaußen) ist eine mächtige Gegenthese zu all diesen Diagnosen. Es zeigt, dass Österreich allen Widersprüchen und Auffassungsunterschieden zum Trotz als einheitlicher politischer Raum agiert, in dem Themen zwar sehr wohl widersprüchlich, aber eben doch auch in einem Gleichklang debattiert werden können. Die angeblich so hermetisch dichten Echokammern der sozialen Medien haben das - ungeachtet der natürlich bestehenden starken regionalen und soziodemografischen Unterschiede im Wahlverhalten - nicht zu verhindern gewusst.

Völlig unabhängig davon, wie man den Wahlausgang bewertet, ist das eine ziemlich gute Nachricht.