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Niemand müsste mehr ins Endstadium von Aids kommen. | Probleme sind Stigmatisierung und sich in falscher Sicherheit zu wiegen. | "Wiener Zeitung": Frau Doktor Schmied, besteht ein Unterschied in der medizinischen Behandlung von Aids und der einer HIV-Infektion? | Brigitte Schmied: Die Behandlung ist prinzipiell immer gleich gewesen, ob bei einer HIV-Infektion oder Aids. Man behandelt das Virus. Bei Aids kommen verschiedene andere sozusagen Aids-definierte Erkrankungen dazu, die man zusätzlich und separat behandelt. Insofern unterscheidet sich die Behandlung.
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Früher hat es nur ein Mittel gegeben, Zidovudin. Seit 1996 gibt es eine Fülle von Medikamenten und die Anzahl vergrößert sich auch kontinuierlich. Die Therapie hat sich insofern geändert, dass man mit einer Kombinationstherapie behandelt und damit sehr großartige Erfolge erzielt. Wenn jemand an Aids erkrankt ist und zusätzliche Erkrankungen hat, etwa eine Lungenentzündung, werden diese natürlich zusätzlich mit entsprechenden Medikamenten behandelt.
Welches konkrete Ziel verfolgt die am 18. Juli beginnende 18. Internationale Aids-Konferenz in Wien?
Man will vor allem auf die Problematik in Osteuropa und Zentralasien aufmerksam machen, denn das sind die Regionen, wo sich das Virus derzeit am raschesten ausbreitet. Dort erfolgen 57 Prozent der Ansteckungen durch Nadel- und Spritzentausch. Und einem großen Teil der Menschen dort fehlen die Basisinformationen über die Krankheit. Da sind dringend Substitutionstherapien sowie Nadel- und Spritzentauschprogramme nötig. Zusätzlich darf man natürlich nicht auf alle anderen Regionen vergessen, in denen die Situation nicht so gut ist wie in den westlichen Industrieländern.
Gibt es bei HIV/Aids Risikogruppen?
Es gibt nur Menschen mit Risikoverhalten, es hat nie Risikogruppen gegeben. Ich habe diesen Begriff nie gemocht, weil er manche Menschen stigmatisiert und andere in einer absolut falschen Sicherheit wiegt. Das versuche ich seit zehn Jahren zu kommunizieren.
Mit Erfolg ?
Mit einem gewissen Erfolg auf alle Fälle. Der Ausdruck Risikoverhalten wird doch zunehmend in den Medien übernommen. Und das trägt zur Bewusstmachung in der Öffentlichkeit ganz entscheidend bei.
Worin besteht heute im Wesentlichen die Therapie?
Es gibt mehrere Substanzklassen - die nukleosid-reversen Transkriptase-Inhibitoren, die non-nukleosid-reversen Transkriptase-Inhibitoren, Protease-Inhibitoren, Integrase-Inhibitoren und Korezeptor-Hemmer. Die Therapie setzt sich immer aus einer unterschiedlichen Kombination zusammen, in den häufigsten Fällen aus zwei nukleosid-reversen Transkriptase-Inhibitoren und einem Protease-Hemmer oder zwei nukleosid- und einem non-nukleosid-reversen Transkriptase-Hemmer.
Mit welchen Nebenwirkungen ist dabei zu rechnen?
Bei den Nebenwirkungen muss man unterscheiden: Kurzfristige können am Beginn der Therapie auftreten, es kann, abhängig von der immunologischen Situation, länger dauern, bis sich der Körper an die Medikamente gewöhnt. Das kann zu Übelkeit, Bauchschmerzen, Durchfällen, Verschlechterung des Allgemeinbefindens in den ersten Wochen führen, aber dann zu einer Verbesserung.
Langfristig treten durch die Medikamente unterschiedliche Nebenwirkungen auf. Beim einen Patienten muss man auf die Nieren achten, beim anderen auf die Leber, es kann zu kardiovaskulären Problemen, zu Diabetes mellitus oder zu Blutfetterhöhungen kommen. Solche Langzeitveränderungen werden aber ständig beobachtet, kontrolliert und mit dem Patienten besprochen, um sie frühzeitig zu erkennen und Abhilfe zu schaffen.
Ist heute nicht vermeidbar, dass noch Menschen in das tödliche Endstadium von Aids kommen?
Ins absolut tödliche Endstadium kommen in den westlichen Industrieländern Menschen, die nicht wissen, dass sie Aids haben, oder eine Behandlung ablehnen. Hier steht für 100 Prozent der Patienten jene antiretrovirale Therapie zur Verfügung, die sie benötigen, global gesehen aber nur für 42 Prozent und in Osteuropa und Zentralasien derzeit sogar nur für 23 Prozent. Das hat verschiedene Ursachen, ist vor allem - aber nicht nur - eine Sache des Geldes, sondern auch der Information und der Infrastruktur. In Südafrika zum Beispiel, wo die Krankheit am meisten verbreitet ist, hat es seit der "Aids 2000" in Durban viele Verbesserungen gegeben, viele Projekte sind gestartet worden. Das zeigt auch, wie viel so eine Konferenz bewirken kann.
Eine Heilung von Aids oder eine wirksame Impfung sind im Augenblick aber noch nicht in Aussicht?
Die Wissenschaft forscht nach wie vor, es gibt kleinere Fortschritte, es wird auch auf der bevorstehenden Konferenz neue und interessante Ergebnisse geben. Einen Durchbruch sehe ich noch nicht und kann auch keinen für die nächsten Jahre prophezeien. Aber es gibt immer wieder Überraschungen.
Brigitte Schmied ist Präsidentin der Österreichischen Aids-Gesellschaft und Copräsidentin der 18. Internationalen Aids-Konferenz (Aids 2010). Die Lungenfachärztin leitet die Immunambulanz im Wiener Otto Wagner Spital.
www.aids2010.org
Wissen: HIV und Aids
HIV bedeutet Human Immunodeficiency Virus, also menschliches Immunschwächevirus. Wer HIV-infiziert oder HIV-positiv ist, wurde mit dem HI-Virus angesteckt, muss aber noch keine Krankheitssymptome haben.
Aids bedeutet Acquired Immune Deficiency Syndrome, also erworbenes Immunschwächesyndrom. Aids-krank oder "Vollbild Aids" bedeutet, dass infolge einer HIV-Infektion im Lauf der Zeit Krankheitssymptome oder Folgeerkrankungen auftreten.
HIV-Ansteckungen erfolgen, wenn eine infektiöse Körperflüssigkeit (Blut, Sperma) in den Körper eines anderen Menschen gelangt. Dies kann entweder durch frische, offene Wunden, durch Injektionen oder auch über Schleimhäute, meist bei Sexualkontakten, erfolgen.
Siehe auch:Aids: Aus Todesurteil wurde eine chronische Krankheit