)
Gefährlich ist die Panik der Finanzmärkte.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 12 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Rom. Zumindest eines hat Maria Fekter geschafft: Mit ihrer Aussage, dass Italien womöglich als nächstes Land Hilfe aus dem Rettungsschirm erhalten könnte, hat sie Italiens Großparteien zusammengeschweißt wie schon lange nicht mehr. Für die Refinanzierung der Schulden war der "Fekter-Effekt" weniger hilfreich - die Aussage passte perfekt zur Hysterie unter Investoren, welche die Zinsen für Zehnjahreskredite auf 6,1 Prozent stiegen ließ.
Auch für Geldmarktpapiere mit zwölf Monaten Laufzeit ließen sich Anleger am Mittwoch ein höheres Risiko abgelten: Bei einer Auktion verlangten sie 3,97 Prozent Zinsen - so viel wie seit Dezember nicht mehr. Am 11. Mai waren nur 2,34 Prozent fällig gestellt worden. Weil Italien einen schweren Rucksack von Altschulden schleppt, wird bei diesen Konditionen die Refinanzierung immens teuer. Das lässt Investoren an der Schuldentragfähigkeit zweifeln und nährt Befürchtungen, auch Rom könnte unter den Euro-Rettungsschirm schlüpfen müssen. Was alles noch verteuert.
Was dabei unter den Tisch fällt: Italien ist eine grundsolide Volkswirtschaft. Das Rückgrat sind nicht etwa die international bekannten Großkonzerne wie Fiat, sondern viele kleine Familienbetriebe. "Fundamental steht Italien vergleichsweise gut da", bestätigt Ulrich Kater, Chefökonom der deutschen Dekabank, gegenüber der "Wiener Zeitung". Die Industriebasis sei gut - das unterscheidet Italien von Spanien. Der Finanzsektor ist solide und hat keine mit den iberischen Sparkassen vergleichbaren Probleme.
Ohne Zinskosten erzielt Rom satte Budgetüberschüsse
Abgesehen vom hohen staatlichen Schuldenberg von mehr als 120 Prozent des BIP, mit dem Italien seit Jahrzehnten klarkommen muss - ist die budgetäre Situation weit besser als der Euro-Durchschnitt: Italiens Defizit wird 2012 unter 2 Prozent ausmachen und 2013 ausgeglichen sein.
Schon jetzt gibt es einen deutlichen Haushaltsüberschuss vor Zinszahlungen, die Pensionslasten seien relativ gering, betont Kater. Er sieht das Hauptproblem in der Psychologie der Finanzmärkte: "Da diese in der Vergangenheit viele unwahrscheinliche Ereignisse gesehen haben, sind sie stark verunsichert." Die rationale Sichtweise wäre: Wenn Spanien genügend Geld erhält, um seinen Bankensektor zu sanieren, verringert sich die Gefahr für Ansteckungseffekte auf Italien.
Unter den Investoren regiert derzeit aber nicht die Vernunft, sondern helle Panik. Als einer der Gründe wird genannt, dass Italiens Wachstum schwächelt: Die ersten drei Monate des Jahres brachten mit 0,8 Prozent Minus zum Vorquartal tatsächlich eine herbe Enttäuschung. Schuld sind zum einen die staatlichen Sanierungsanstrengungen, die auf der Konjunktur lasten, zum anderen aber auch die Verunsicherung der Menschen. Das belastet den Konsum und bremst Investitionen. Das ist aber kein italienisches Spezifikum, sondern in fast allen Ländern Europas der Fall.
Italiens Haushalte sitzen auf großen Reichtümern
Auf der Haben-Seite ist sehr viel zu verbuchen: Italien habe über viele Jahrzehnte hohe Vermögenswerte aufgebaut, betont Michael Berger, Österreichs Wirtschaftsdelegierter in Mailand. Die Privatvermögen seien fünf bis sechs Mal so hoch wie das Bruttoinlandsprodukt. Italien verfüge über die drittgrößten Goldreserven. Und gemessen an der Gesamtverschuldung - Staat, Haushalte und Unternehmen zusammen - stehe das Land nicht viel schlechter da als Deutschland.
Dass viele ein Schwächeln beim Reformkurs von Mario Monti konstatieren, sieht Berger nicht dramatisch: "Die ersten Spar- und Steuermaßnahmen wurden sehr rasch umgesetzt, jetzt geht es mit der Lockerung des Kündigungsschutzes ans Eingemachte." Im Senat sei die Arbeitsmarktreform schon durch, sie hängt im Parlament fest. Weil im Frühjahr 2013 Wahlen anstehen, wollen sich die Parteien in Stellung bringen. Ein Scheitern der Regierung werden sie nicht riskieren: "Politische Instabilität kann sich Italien nicht erlauben."